Optimum 1
Widerstand mehr. Er legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Mann auf, aufmerksam und beinah ein wenig neugierig. Erst da begriff Rica, dass der Mann leise und eindringlich auf Torben einredete.
»Was ist da los?«, murmelte Rica. »Was –«
In diesem Moment nickte Torben, und zu Ricas Überraschung ließ der Rektor seinen Arm los – und Torben blieb, wo er war… Nicht nur das. Der Mann ging zum Auto, und Torben folgte ihm, als wäre es das, was er die ganze Zeit vorgehabt hatte. Der Mann öffnete die hintere Tür, und Torben stieg nach ihm ein. Der Rektor, Frau Jansen und die unbekannte Frau standen noch ein bisschen zusammen, redeten, lachten sogar. Dann wurden viele Hände geschüttelt, jedermann schien zufrieden zu sein, und schließlich stieg auch die fremde Frau wieder in den Wagen. Gleich darauf setzte sich das Auto mit knirschenden Reifen in Bewegung, wendete und begann, die Auffahrt hinunterzurollen.
»Sie bringen ihn weg!« Elizas Stimme klang entgeistert. »Warum tun sie das? Was ist hier eigentlich los?«
Als Rica sie ansah, war sie erschrocken, wie blass das Gesicht der Freundin war. Sie glich einem Gespenst und blickte dem Wagen sehnsüchtig nach. Rica hatte das Gefühl, dass sie dem Auto am liebsten hinterhergelaufen wäre.
Eine Bewegung, die sie aus den Augenwinkeln wahrnahm, ließ sie aufschrecken. Sie drehte den Kopf und stellte fest, dass Frau Jansen auf der Treppe zum Schulhaus stehen geblieben war. Offensichtlich hatte sie das Gebäude gerade betreten wollen, aber jetzt hatte sie sich umgedreht und sah zum Waldrand hinüber. Rica war sich sicher, dass die Therapeutin sie bereits entdeckt hatte. Jetzt oder nie. Sie richtete sich auf.
Eliza zuckte zusammen und packte Ricas Hosenbein. »Bist du wahnsinnig? Sie sieht uns doch. Willst du erwischt werden?«
Rica blickte auf sie herab. Eine seltsame Entschlossenheit hatte sich in ihr breitgemacht. Sie musste etwas tun. Jo tot, Jonas tot, Torben abgeholt … es war einfach an der Zeit. »Ich werde mit ihr reden«, gab sie zurück. Zu ihrer Zufriedenheit klang ihre Stimme fest und sicher, obwohl sich ihr Magen vor Angst zusammenzog.
»Warum das denn?« Elizas Stimme klang schrill und viel zu laut. Aus den Augenwinkeln bemerkte Rica, dass Frau Jansen auf sie zukam.
Rica stopfte eine Hand in ihre Hosentasche und zog den USB-Stick heraus, den Eliza ihr eben erst gegeben hatte. Auffordernd streckte sie ihn Eliza entgegen. »Nimm du ihn. Diese Hexe weiß etwas, und darum rede ich jetzt mit ihr. Wahrscheinlich ist das unsere einzige Chance, mehr über Jo und das alles herauszufinden. Sie wollte mich sowieso sprechen. Hat Robin mir erzählt.« Ob das allerdings der Wahrheit entspricht, weiß ich auch nicht. Vielleicht brauchte er nur einen Grund, mich irgendwohin zu locken.
Eliza nahm den Stick und steckte ihn in ihre Tasche. »Was ist, wenn sie dich auch abholen lassen?«
Rica schüttelte den Kopf. »Werden sie nicht. Ich gehöre doch gar nicht zu euch. Nicht richtig. Ich habe keine Ahnung, warum diese Kuh Interesse an mir hat.« Sie nickte mit dem Kinn in Richtung Frau Jansen, die nun schon deutlich näher gekommen war. »Willst du vielleicht lieber mit ihr sprechen?«
Eliza sah zu der Therapeutin hinüber und schüttelte stumm den Kopf. Es war jetzt klar, dass Frau Jansen wusste, dass sich mindestens eine Person im Gebüsch verbarg, so entschlossen waren ihre Schritte.
»Dann verschwinde endlich«, murmelte Rica. »Ich komme nachher zu dir und berichte, was ich erfahren habe. Du könntest schon mal Kopien von diesen Dateien machen, falls du daran noch nicht gedacht hast.«
Eliza nickte und drückte Ricas Hand. Sie drehte sich um und lief tiefer in den Wald hinein. Rica sah ihr einen Moment lang nach, hob dann ihre Kamera vor die Brust und richtete sich auf. Vielleicht konnte sie Frau Jansen davon überzeugen, dass sie hier einfach nur fotografiert hatte.
Kapitel zwölf
Frontalangriff
Ricarda!« Frau Jansens Stimme klang nicht mal besonders überrascht, was, angesichts der Tatsache, dass Rica jetzt eigentlich bei der Schulversammlung sein sollte, erstaunlich war. Ganz davon abgesehen, dass es offensichtlich war, dass Rica den Wagen und seine Insassen gesehen haben musste. Wahrscheinlich war ihr sogar klar, dass Rica gelauscht oder zumindest ihre Schlüsse aus dem Gesehenen gezogen hatte. Aber sie zeigte mit keiner Regung, dass sie beunruhigt war.
Die Frau ist ein Roboter, dachte Rica. Aber gut, wenn sie dieses Spiel spielen will –
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