Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
fünf Minuten bekommt.«
»Sorry«, meinte Eliza. »Aber ich habe keine Lust, die ganze Zeit drinnen zu hocken, nur weil irgendwelche Ärzte beschlossen haben, dass das mir irgendwie weiterhilft. Ich wollte nur ein wenig Luft schnappen.« Sie warf einen scheuen Blick zu Rica hoch, die ihr zugrinste und den Daumen hob. »Ich kann auch selbst in mein Zimmer zurückgehen, wenn Sie rein wollen. Ist ja nicht so, dass ich von hier einfach so abhauen kann«, fuhr Eliza fort. Sie war sich ziemlich sicher, dass das nicht klappen würde, doch der Pfleger sah sie mit unergründlichem Gesichtsausdruck an, dann nickte er zu Elizas größter Überraschung. »Ich warte drüben im Foyer. Wenn du in zehn Minuten immer noch nicht genug Luft geschnappt hast, hast du Pech gehabt, dann komme ich dich holen«, sagte er. Dann ging er mit raschen Schritten auf das »Krankenhaus« zu, und war gleich darauf verschwunden. Eliza blieb einen Moment lang still stehen und tat so, als ob sie die frische Luft atmete. Der eisige Wind wirbelte ihre Haare immer noch durcheinander, und ihr war klar, dass sie diese Scharade nicht lange glaubhaft aufrechterhalten konnte.
Sie ging zum Baum hinüber und lehnte sich wie zufällig an den Stamm, in Sichtweite des Foyers, aber so, dass der Pfleger im Zweifelsfall ihr Gesicht nicht erkennen konnte.
»Was machst du denn hier?«, murmelte sie halblaut.
»Dich retten«, kam von oben die Antwort. »Zumindest war das bisher mein Plan.«
»Und den Drachen schlägst du vorher oder nachher tot?«
Rica kicherte, aber Eliza konnte die Anstrengung in ihrer Stimme hören.
»Ich bin in Zimmer 274. Das ist im zweiten Stock, am Ende des Ganges, der rechts vom Treppenhaus abgeht«, meinte Eliza. »Weißt du schon, wie wir hier wieder rauskommen?«
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Rica. »Ich lass mir was einfallen.«
Eliza verdrehte die Augen.
»Ist Nathan hier?«, wollte Rica wissen.
»Ich glaube schon, aber ich habe ihn noch nicht gesehen.« Bei den Worten musste Eliza schlucken, um die Tränen zurückzuhalten.
Rica zögerte. An diesem Zögern konnte Eliza hören, dass die nächste Frage schlimm werden würde. »Und … Robin?«, flüsterte Rica. »Hast du Robin gesehen?«
»Haben sie ihn mitgenommen?«
Pause. Dann die etwas seltsame Antwort: »Ich hoffe es.«
»Du hoffst es?«
»Ansonsten hieße das wahrscheinlich, dass er nicht mehr lebt.« Rica schluckte schwer, und Eliza konnte die Tränen in ihrer Stimme hören, auch wenn sie sicher war, dass Rica sie zu verdrängen versuchte. Auch ihr Herz zog sich bei diesen Worten zusammen. Was war da passiert?
Eliza warf einen Blick zum Haupteingang des Krankenhauses und sah, wie die Tür aufschwang. »Hör zu!«, flüsterte sie schnell. »Wenn wir es nicht schaffen, hier rauszukommen, musst du Sachen an die Öffentlichkeit bringen. Alles, was du eben weißt. Wenn du also einen Internetzugang entdeckst …« Das war vermutlich der einzig sinnvolle Weg, dachte Eliza. Die Öffentlichkeit konnte keiner ignorieren.
»Ich dachte, ich schwinge mich an einer Peitsche durchs Fenster, rette Nathan und dich und fliehe dann auf einem Motorrad«, versuchte Rica zu witzeln. »Nein, natürlich habe ich an die Öffentlichkeitssache gedacht. Aber ich möchte dich auch hier rausbringen. Und Nathan. Und Robin, wenn er hier ist.«
»Dann sieh dich um. Versuch, ihre Zimmernummern zu finden. Du musst rauskriegen, was hier passiert.« Eliza sah den Pfleger den Kiesweg entlangkommen, und ihr Tonfall wurde dringlich. »Sonst werden sie uns ja doch nur einfach wieder einfangen. Und dich auch.«
»Schon klar.«
Pause.
»Geht es dir gut, Eliza?«
Eliza schluckte. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. Sie holte tief Luft. »Ich bin in Ordnung. Meine … Fähigkeit kann ich nicht einsetzen, aber sonst ist alles prima. Sie behandeln mich nicht einmal besonders schlecht. Kein Wunder. Sie haben ja auch noch einiges mit mir vor.«
Der Pfleger war fast bei ihnen. »Beeil dich!«, flüsterte Eliza. »Ich möchte wirklich gerne hier weg. Und ich möchte endlich wissen, worum es bei der ganzen Sache geht. Ich zähle auf dich. Tu nichts Dummes!« Sie ließ sich noch ein Stück zurück sinken, lehnte den Kopf an den Baumstamm und schloss die Augen. So sah es nur so aus, als habe sie sich ein wenig ausgeruht und wäre darüber weggedämmert.
»So, kleine Dame, genug frische Luft«, schnappte der Pfleger, und Eliza fühlte sich erneut am Arm gepackt.
»Sorry, ich hab nicht auf die Zeit
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