Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
diese Frau direkt an der Quelle gearbeitet. Und irgendeinen Grund musste sie ja auch gehabt haben, ihr persönliches Tagebuch im Labor zu verstecken. Es blieb also die Hoffnung, dass irgendwo hier drin Lösungen steckten.
Sie blätterte weiter und überflog ein paar Beiträge. Die meisten beschäftigten sich mit der Beschreibung der Arbeit im Labor, Details über DNA-Extraktion, und es gab auch ein paar Kommentare über gut aussehende Doktoren. Rica gewann den Eindruck, dass diese Elisabeth reichlich jung und überenthusiastisch war. Dann jedoch stieß sie auf einen Eintrag, der ihr Interesse weckte.
Mittwoch, 23. Oktober
Heute bin ich mit Doktor Jakobs in einem Elterngespräch gewesen. Jedenfalls nennen alle Mitarbeiter diese Unterredungen so. Es handelt sich um Paare, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Normalerweise machen das die Doktoren allein, aber diese beiden wollten unbedingt mehr über die genetische Verbesserung ihrer zukünftigen Kinder wissen, also hat Dr. Jakobs mich mitgenommen, um ihnen von der Entschlüsselung der DNA zu berichten.
Ich hätte sie gerne umfassend aufgeklärt – ich bin es gewöhnt, meinen Eltern und meiner kleinen Schwester in einfachen Worten zu erklären, was ich tue – aber seltsamerweise hat er mich angewiesen, besonders vage zu sein. »Verwenden Sie Fachausdrücke«, hat er gesagt. »Es ist nicht so wichtig, dass diese Menschen genau verstehen, was hier vorgeht, vielmehr wollen sie wissen, dass sie sich in professionellen Händen befinden. Und Sie wissen natürlich, dass viele Techniken, die wir hier anwenden, auf geheimen Forschungen beruhen. Wir können uns es nicht leisten, irgendjemandem Einzelheiten zu erklären.
Das Paar, das im Besucherraum saß, hatte schon einen Jungen bei sich. Er war vielleicht vier Jahre alt und machte einen goldigen Eindruck. Er war auch sehr schlau. Aber offensichtlich schien das den Eltern nicht zu genügen. Sie wollten genau wissen, ob es möglich war, ihr nächstes Kind zu einem Genie zu machen. Sie haben das ganz ungeniert vor dem Kleinen besprochen. Ich fand das ein bisschen gemein, aber was will man tun?
Ich habe mich also an die Anweisung gehalten, hab mit Fachausdrücken um mich geworfen und versucht, ganz wenig mit ganz vielen Worten zu verraten. Ich weiß nicht, ob mir das gut gelungen ist, aber am Ende sind sie dann ganz zufrieden gewesen.
»Wir wollen übrigens noch einen Jungen«, sagten sie, als sie gingen. »Wir haben auch schon einen Namen«, meinte die Mutter stolz, als wäre schon klar, dass alles so klappt, wie sie sich das vorstellen. »Wir möchten ihn Simon nennen, nach meinem Großvater. Der war auch ein Genie.«
Ich hätte ihnen am liebsten gesagt, dass sie gefälligst zufrieden sein sollen mit dem Jungen, den sie haben, aber das wäre natürlich nicht recht gewesen.
Rica holte tief Luft. Simon. Diese Frau schrieb über die Wittichs. Über ihren Besuch im Institut. Und bei dem Jungen hatte es sich natürlich um Robin gehandelt. Ihr traten die Tränen in die Augen. Sie machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Sie hatte Frau Wittich schon vorher nicht gemocht, jetzt hätte sie sie gerne hier gehabt, um ihr mal ordentlich die Meinung zu sagen. Was für eine unendliche Arroganz! Sie fühlte mit dieser fremden Elisabeth, die sich offensichtlich bei der Sache auch nicht wohl gefühlt hatte.
Wieder blätterte sie weiter. Die meisten der nächsten Einträge schienen sich mit den Gewissensbissen der jungen Wissenschaftlerin zu beschäftigen. Sie fragte sich, was sie da anrichteten, und kurz darauf kamen die ersten Berichte über das Verhalten der künstlich erzeugten Kinder im Labor an. Eine Passage dazu las sich:
Sie sagen, es ist nur eine vorübergehende Störung. Ein ungeplanter Nebeneffekt. Offensichtlich gibt es Kinder, die andere Menschen beeinflussen können. Manche von ihnen scheinen auch über eine ungewöhnlich gute Auffassungsgabe und Menschenkenntnis zu verfügen. Das ist ja an sich nichts Schlechtes, aber wer möchte schon eine Fünfjährige, die sämtliche Leute um sich herum manipulieren kann. Nur ein Idiot würde annehmen, dass sie das nur tun wird, um mehr Süßigkeiten zu bekommen.
Sie sagen, wir werden Inhibitoren entwickeln. Einen Stoff, der die übermäßige Pheromonproduktion hemmen soll, sodass aus diesen Kindern wieder normale Kinder werden können.
Als ob sie jemals normal sein könnten.
Rica war jetzt vollkommen gefangen in ihrer Lektüre. Sie vergaß die weiße
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