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Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)

Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)

Titel: Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Bicker
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Zelle, sie vergaß, in welcher Gefahr sie sich befand, sie musste einfach weiter lesen. Ihre Augen tränten bereits, so sehr strengte sie sich an, die Worte zu entziffern, denn die Handschrift der Laborassistentin wurde immer fahriger. Offensichtlich kam zu ihrem schlechten Gewissen nach und nach eine gute Portion Paranoia hinzu. Sie schrieb darüber, dass sie sich beobachtet fühlte und niemandem mehr trauen wollte. Das war ein Gefühl, das Rica nur zu gut nachvollziehen konnte.
    Dann kam sie zu den Einträgen aus dem letzten Jahr. Und bei einem, inzwischen vollkommen ohne Datum versehen, stockte Rica fast der Atem.
    Ein Mädchen ist gestorben. An der Schule, die das Institut extra für die »besonderen« Kinder eingerichtet hat, ist ein junges Mädchen ums Leben gekommen. Man hat mir gesagt, es sei Selbstmord, sie sei unter dem Druck, gute Noten bekommen zu müssen, zerbrochen.
    Aber das habe ich nicht geglaubt. Ich habe meine eigenen Nachforschungen angestellt. Ich habe Gespräche belauscht, und schließlich ist es klar geworden, dass eine unserer eigenen Mitarbeiterinnen dafür verantwortlich war. Sie meinte, das Mädchen hätte zu viele Fragen gestellt. Sie hätte nur im Interesse des Instituts gehandelt.
    Natürlich haben wir sie fallenlassen. Ganz so offen können wir nicht vorgehen. Aber ich habe schon mehrere Leute sagen hören, dass es eigentlich gut so ist. Es ist besser, dass wir sie los sind, sagen sie. Sie sollte keine Fragen stellen. Sie gefährdet das ganze Projekt, in dem es schließlich nicht um sie geht, sondern um etwas ganz anderes. Das Wohl der Menschheit, sagen sie. Eine neue Führungsgruppe, sagen sie. Eine Elite, die unser Land, vielleicht sogar die ganze Welt aus dem Dreck ziehen kann, sagen sie. Intelligente, kompetente, kommunikative Kinder.
    Früher hätte ich vielleicht daran glauben können. Aber inzwischen klingt das Ganze für mich viel zu sehr nach Gottspielen. Wer sind wir, dass wir entscheiden dürfen, wer diese Kinder sind? Ist das nicht zu viel? Wir können ihnen doch nicht einfach sagen, dass sie die Welt zu retten haben.
    Und noch schlimmer, wir können doch ihre Vorgänger nicht einfach aussortieren, wie Betaversionen, die sich nicht bewährt haben.
    Rica biss die Zähne zusammen. So langsam setzte sich alles zu einem Bild zusammen. Es fehlten ihr zwar noch ein paar Puzzlestücke, aber nach und nach wurde es immer klarer, was die ganze Sache sollte. Betaversionen. Sie dachte an Eliza, Robin und alle ihre Freunde. Das waren doch Menschen, nicht einfach Computerprogramme, mit denen man herumspielen, an denen man schrauben und werkeln konnte, bis sie perfekt waren.
    Ich habe mit Thomas gesprochen. Er sagt, die Kinder drehen langsam durch. Etwas an ihrem genetischen Code macht sie nicht nur besonders intelligent und besonders einflussreich, es verursacht auch etwas in ihren Köpfen. Nicht bei allen, aber mit jeder neuen Generation scheint es schlimmer zu werden. Die jüngeren Schüler von Avenir sind aggressiv und skrupellos, sagt er.
    Ich habe nichts gesagt. Was denn auch? Dass wir versucht haben, in den jüngeren Schülern genau die Fertigkeiten zu fördern, die bei den älteren noch zufällig aufgetreten sind? Dass man mir gesagt hat, die Pheromone wären genau die Lösung, um unsere »Kreaturen« noch einflussreicher zu machen? Dass ich genickt und gedacht habe, wir tun das Richtige?
    Thomas begibt sich in Gefahr, das weiß ich. Warum er überhaupt mit mir spricht, weiß der Himmel. Ich könnte beobachtet werden, und dann würden sie ihn auch wieder kriegen. Aber vielleicht … vielleicht … nein, ich weiß einfach nicht, was er vorhat. Ich glaube, er möchte das Institut stürzen. Ich glaube, er will die ganze Sache ans Licht bringen.
    Kann ich ihm dabei helfen? Ich hoffe es. Und ich fürchte mich davor, was mit mir passieren wird, wenn das herauskommt. Inzwischen passiert so viel, das nichts mehr unter unserer Kontrolle zu sein scheint. Ich glaube, ein paar Mitarbeiter drehen langsam auch durch. Ich habe gehört, wie jemand meinte, dass man das Mädchen zum Schweigen bringen müsste. Endgültig.
    Ich weiß nicht, welches Mädchen sie meinen, aber wenn hier ganz offen über Mord diskutiert wird, Mord an einem jungen Menschen, der nichts anderes getan hat, als Fragen zu stellen, dann ist das nicht mehr das Institut, für das ich zu arbeiten begonnen habe.
    Ich erinnere mich an mein Einstellungsgespräch. Damals habe ich mit Herrn Kaltenbrunn persönlich gesprochen. Er

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