Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
das Handy an ihr Ohr und drückte die Annahmetaste. Sie wollte sich melden, doch dazu kam sie gar nicht erst.
»Rica, verschwinde sofort von dort, wo auch immer du bist!« Die Männerstimme kam ihr vage bekannt vor.
Mein Vater.
»Ich …«, begann sie, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Auf der Stelle! Hast du mich verstanden? Sie sind schon unterwegs, dich abzuholen. Los! Verschwinde!«
Ricas Herz hämmerte auf einmal wie wild. Plötzliche Panik breitete sich in ihrem Bauch aus, und sie warf einen hastigen Blick über die Schulter. Die Schüler waren inzwischen hereingekommen und stürmten das Foyer. Über dem Geschrei und dem Getrampel war nichts zu hören, und auch sonst sah die Jugendherberge völlig normal aus.
»Wie können sie wissen, wo …«, fing sie wieder an, doch wieder wurde sie unterbrochen.
»Los jetzt! Sie sind gleich da! Lauf zum Bahnhof, ich rufe wieder an!« Die Verbindung wurde unterbrochen.
»Was ist denn los?«, wollte Robin wissen.
Rica schüttelte den Kopf.
»Das war mein Vater. Er glaubt, dass wir hier gleich abgeholt werden.« Wieder sah sie sich um. Sie konnte immer noch nichts Auffälliges entdecken. »Ich glaube, er leidet noch mehr unter Verfolgungswahn als ich«, murmelte sie.
Robin war blass geworden. Auch er sah sich in der Halle um, dann trat er rasch an eines der Fenster in der Nähe.
»Da sind Autos«, flüsterte er. »Zwei Stück. Sie sehen genau aus wie das, das Eliza abgeholt hat.« Seine Stimme war so tonlos, dass Rica ihn beinah nicht verstanden hätte.
Mit einem Satz war sie an seiner Seite und spähte ebenfalls auf die Straße hinunter. Tatsächlich. Zwei schwarze Limousinen waren vor der Jugendherberge vorgefahren, hielten auffällig im absoluten Halteverbot und sahen überhaupt ziemlich düster aus. Noch während Rica auf sie hinunter sah, kam ein Krankenwagen die Auffahrt hinaufgeglitten und hielt direkt hinter den Autos. Aus dem ersten Wagen stiegen zwei Männer in edlen Anzügen aus und schlenderten betont gelassen zu dem Krankenwagen hinüber.
»Sie wollen uns für verrückt erklären«, flüsterte Rica und drehte sich um. »Oder sie sagen irgendwas von wegen unheilbar krank und aus der Behandlung geflohen. Was weiß ich denn.« Sie fühlte sich, als sei sämtliches Blut aus ihrem Körper gewichen. Ihre Knie waren so weich, dass sie kaum stehen konnte. Aber jetzt war nicht die Zeit, schwach zu werden. Sie mussten weg.
»Komm!« Sie wirbelte herum und packte Robins Handgelenk.
»Unser Gepäck steht noch …«
»Vergiss das Gepäck!« Sie musste handeln, nicht einfach herumstehen. Ohne weiter zu überlegen, rannte Rica zur Rückseite des Gebäudes, wo ein grünes Notausgangsschild über einer Glastür leuchtete. Sie wollte die Tür gerade aufreißen, als Robin sie zurückhielt.
»Das löst einen Alarm aus. Sie werden wissen, dass wir aus dem Gebäude raus sind«, flüsterte er.
Rica starrte die Tür an, und nickte dann widerwillig.
»Aber wie kommen wir sonst raus? Wir können ja kaum durch den Vordereingang spazieren. Die sehen uns doch!« Sie hörte Gemurmel aus der unteren Halle des Foyers und bildete sich ein, Herrn Wolfs Stimme auszumachen.
Robin überlegte, dann grinste er und drückte die Klinke hinunter. Kaum hatte er die Tür aufgestoßen, jaulte ein ohrenbetäubender Alarm los. Rica konnte sich eben noch zurückhalten, nicht die Hände auf die Ohren zu pressen. Aus der unteren Halle kamen überraschte Rufe.
»Was soll …«, begann Rica, doch dieses Mal war es Robin, der ihre Hand packte und sie von der Tür fort zog, in einen der Gänge hinein, von denen die Zimmer abgingen. Hier und dort öffneten sich Zimmertüren und überraschte Gäste sahen heraus, doch Robin achtete nicht auf sie, sondern zog Rica immer weiter, bis er schließlich einen Konferenzraum erreicht hatte. Er drückte die Klinke hinunter, und tatsächlich war nicht abgeschlossen. Die Tür schwang nach innen auf und gab den Blick auf einen langen, ovalen Tisch und vielleicht zehn Stühle frei. Eine Seite des Raumes war vollkommen verglast.
»Spinnst du, die finden uns hier sofort!« Normalerweise hätte Rica geflüstert, aber der Alarm war so ohrenbetäubend, dass man schon schreien musste, um sich überhaupt verständlich zu machen.
Robin schob die Tür zu. »Die suchen jetzt erst mal draußen nach uns. Und in der Zeit …« Er grinste. »Können wir uns überlegen, wie wir zu den Autos kommen.«
»Zu den Autos?« Rica fragte sich, ob Robin jetzt vollkommen den
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