Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
vorsichtige Antwort zurück.
Rica rollte mit den Augen. Sie dachte, das Thema hätten sie schon geklärt. Aber vielleicht war bei ihm auch etwas passiert. Immerhin hatten die Leute vom Institut von ihrem letzten Chat erfahren. Vielleicht hatten sie eine Ahnung, wer ihr Gesprächspartner war und hatten alle Institutsbewohner unter Druck gesetzt. Nun gut. Es war vielleicht gar nicht schlecht, ihr Wissen noch einmal komplett niederzuschreiben. Das half bestimmt, ihre eigenen Gedanken zu ordnen.
Ich weiß, dass sie Retortenkinder herstellen, schrieb sie, und hatte ein schlechtes Gewissen wegen des Ausdrucks »herstellen«. Es klang so nach Fabrik und Fließband. Ich weiß, dass sie da genetisch an ihnen herummanipulieren. Vielleicht, um sie zu verbessern? Oder sie wollen irgendetwas Bestimmtes erreichen? Jedenfalls sind die Kinder alle sehr intelligent. Und sie können … Dinge. Sie suchte nach einem besseren Ausdruck, fand aber keinen. Eliza sagt, das hängt mit Pheromonen zusammen, ganz habe ich das nicht verstanden, aber das kann man ganz sicher nachschlagen. Jedenfalls können sie Leute beeinflussen. Sie dachte einen Moment nach und fügte dann hinzu: Und sie sind gefährlich. Also manche von ihnen. Sie neigen zu Gewaltausbrüchen. Ich glaube, sie könnten sogar einen Mord begehen, wenn man sie nur genug reizt. Sie tippte die Enter-Taste und hatte gleich darauf ein fürchterlich schlechtes Gewissen. Sie hatte immer von »sie« geschrieben und überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass dieser Henry ja eines von diesen Kindern war. Besonders feinfühlig war das ja nicht von dir, Rica, dachte sie. Hastig tippte sie noch ein paar Sätze, um den schlechten Eindruck vielleicht etwas abzumildern.
Ich glaube, die Institutsleute sind nicht so zufrieden mit ihrem Ergebnis. Sie versuchen, vieles zu vertuschen. Deswegen wollen sie auch nicht, dass ich Fragen stelle. Ich weiß nicht, zu welchen Mitteln sie greifen werden. Bis jetzt haben sie mir nichts getan, aber vor ein paar Monaten wurde ein Mädchen getötet, das zu viele Fragen gestellt hat. Und jemand hat nun versucht, mich umzubringen.
Henrys Antwort kam prompt und war sehr kurz.
Wer? Wann?
Ein Junge gestern Abend an der Bushaltestelle. Rica überlegte, aber sie konnte sich beim besten Willen das Gesicht des Jungen nicht mehr ins Gedächtnis rufen. Es war einfach so gewöhnlich gewesen, sie hatte überhaupt nicht richtig auf ihn geachtet.
Dieses Mal blieb die Antwort länger aus. Du hast ja eine Menge herausgefunden, kam schließlich zurück. Da weiß ich gar nicht, ob ich noch viel hinzufügen kann. Das deckt sich alles ziemlich mit meinen Erfahrungen.
Rica starrte auf die Zeilen. Irgendetwas daran gefiel ihr ganz und gar nicht. Der Tonfall war irgendwie falsch. Es klang gekünstelt und nicht nach dem Henry, mit dem sie das letzte Mal gechattet hatte. In ihrem Magen schien sich etwas umzudrehen.
Du kannst mir sagen, wo sich das Institut befindet, antwortete sie rasch. Das weiß ich nämlich noch nicht. Und es wäre wichtig, dass ich es finde.
Wieder folgte eine lange Pause. Rica fühlte mehr, als dass sie hörte, wie Robin hinter sie trat. »Und?«, murmelte er, doch sie winkte ihm, zu schweigen, denn die nächste Nachricht von Henry erschien auf dem Bildschirm.
Ich muss weg. Probleme. Bleib, wo du bist. Ich melde mich!
Gleich darauf zeigte das Chatfenster, dass Henry offline gegangen war.
Rica starrte den Bildschirm an und versuchte, das ungute Gefühl zu unterdrücken, das sie langsam beschlich. Sie hatte so lange darauf gewartet, sich mit diesem Kerl einmal richtig aussprechen zu können, und was war jetzt? Im Grunde hatte er ihr überhaupt nichts gesagt. Was war da nur los? War sie am Ende doch auf einen Betrüger hereingefallen? Jemand, der sich einfach nur wichtig machen wollte?
»Nichts Neues.« Mit einem Seufzen wandte sie sich zu Robin um. »Was ist mit den Zimmern?«
In diesem Moment vibrierte das Handy in ihrer Jackentasche. Rica zögerte, bevor sie es hervorholte. Wenn es wieder ihre Mutter war, würde sie den Anruf nicht annehmen.
»Nummer unterdrückt«, zeigte das Display. Rica runzelte die Stirn. Das konnte jeder sein. Wenn sie Pech hatte, sogar einer vom Institut. Aber andererseits – nur, weil sie an ihr Handy ging, hieß das ja nicht, dass sie sie dadurch besser finden konnten, oder? Und vielleicht gelang es ihr ja sogar, an irgendwelche nützlichen Informationen zu kommen. Sie musste eben nur einen kühlen Kopf behalten.
Rica hob
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