Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
sie gereinigt wurde. Rica blieb stehen und rümpfte die Nase, doch ihr Vater zog sie in eine der winzigen Kabinen. Es gab nicht mal eine Kloschüssel, nur ein Loch im Boden, aus dem es deutlich und unangenehm roch.
»Jetzt hört mal zu!«, meinte Ricas Vater ohne lange Vorrede. »Es sind nicht nur die Handys, über die sie euch verfolgen können. Bis vor Kurzem haben sie nicht gewusst, dass Robin bei dir ist, Rica, deswegen haben sie den Maulwurf gebraucht, aber jetzt …« Er wandte sich Robin zu. »Du bist gechippt, Junge.«
»Gechippt?« Robin sah vollkommen verwirrt aus.
»Ein kleiner Sender, den sie dir unter die Haut gespritzt haben.« Ricas Vater deutete auf seinen Unterarm. »Vermutlich schon kurz nach der Geburt, spätestens aber, als sie euch alle in die Klinik geholt haben, um die Inhibitoren zu testen.«
»Inhibi… was? Ist das so was wie ein Dementor?« Rica wusste selbst, dass ihr Witz nicht wirklich ankam, ihr war eigentlich auch nicht nach Scherzen. Aber etwas in ihr trieb sie dazu.
»Inhibitoren«, wiederholte Ricas Vater und warf ihr einen strengen Blick zu. »Stoffe, die eure angeborenen Fähigkeiten unterdrücken sollen.«
»Die Pheromone«, murmelte Rica und sah Robin an. »Aber du kannst doch gar nicht … Also so wie Eliza, oder?«
Robin runzelte die Stirn. Einen Moment lang sah er sogar beleidigt aus, dann zuckte er mit den Schultern. »Nein«, sagte er knapp.
Ricas Vater lächelte mild. »Wart’s ab«, meinte er nur. »Was ich aber eigentlich sagen wollte: Wir müssen den Sender entfernen. Sonst können sie euch überall aufspüren. Verstanden?«
»Verstanden«, flüsterte Robin, aber er war deutlich bleich geworden bei diesen Worten. Er sah an sich herunter, als könne er den verräterischen Sender irgendwo entdecken, aber natürlich war nichts zu sehen.
Ricas Vater machte ein mitleidiges Gesicht. »Ich gebe mir Mühe, es nicht allzu schmerzhaft zu machen«, versprach er. »Aber richtig garantieren kann ich nichts. Das Ding ist schon zu lange da drin, wahrscheinlich ist es ein wenig eingewachsen.«
Robin wurde – wenn das überhaupt möglich war – noch ein wenig blasser. Rica nahm seine Hand in ihre und drückte sie. Aufmunternd sah sie zu ihm auf.
»Jetzt?«, flüsterte er. »Hier?«
Ricas Vater nickte. Aus der Innentasche seiner Jacke zog er ein kleines Bündel und entrollte es. Darin befanden sich ein steril eingepacktes Skalpell, Desinfektionsmittel, ein paar Mullbinden und eine Pinzette. »Rica! Geh zur Tür, und stell sicher, dass niemand reinkommt«, sagte er. »Wir beeilen uns, aber es ist trotzdem besser, wenn wir nicht unterbrochen werden.«
Rica sah wieder zu Robin auf. »Soll ich nicht bei dir bleiben?«, flüsterte sie und drückte abermals seine Hand.
Doch Robin schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, ich fühle mich besser, wenn du das hier nicht mit ansiehst«, sagte er. Er versuchte ein Lächeln, aber es entgleiste ihm. »Am besten, du tust einfach, was dein Vater sagt. Ich komme hier schon zurecht.«
Ganz sicher war sich Rica da nicht, aber sie kannte den entschlossenen Ausdruck auf Robins Gesicht nur allzu gut. Sie nickte, drückte ein letztes Mal aufmunternd seine Finger und drehte sich um. Langsam ging sie zum Eingang der Toilette, zog die Tür hinter sich zu und ließ sich gegen die kalte Betonwand sinken. Der Parkplatz war wie leergefegt, ein stetiger Wind blies feine Regentröpfchen in Ricas Gesicht. Sie konnte sich gerade keinen trostloseren Ort vorstellen. Sie wünschte sich weit weg. Eigentlich wünschte sie sich gerade irgendein anderes Leben als das ihre. Wie war sie nur in diese Sache hineingeraten?
Obwohl es ihr eigentlich widerstrebte, versuchte sie doch, hinter sich irgendetwas zu hören. Irgendein Geräusch, Stimmen … oder Schreie. Rica kniff die Augen zusammen und bemühte sich, den Gedanken abzuschütteln. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es Robin erging. Was er durchmachen musste.
Ein Auto fuhr auf den Rastplatz. Es sah nicht gerade wie eines vom Institut aus, kein langer, schlanker, schwarzer Wagen, sondern ein roter Kombi, ein Familienwagen. Rica konnte die Umrisse eines Kindersitzes auf der Rückbank erkennen und betete stumm darum, dass die Familie jetzt nicht die Toiletten stürmen würde. Sie wusste nicht, wie sie eine ganze Gruppe fernhalten sollte.
Doch der Wagen hielt ein ganzes Stück vom Toilettenhäuschen entfernt, und eine Frau stieg aus, gefolgt von drei sehr blonden, sehr fröhlichen Kindern, die sich sofort
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