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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Hauptmann Höttsche bezahlte zwar viel üppiger dafür, dass ungetreue Landsknechte wegschauten, wenn er mit seinen Männern eine Kutsche oder Kaufmannsfuhre überfiel. Aber für solchen Verrat drohten den Soldaten schwere Strafen – Kerker auf Lebenszeit oder sogar der Galgen, falls bei dem Überfall Reisende umgekommen waren. Bei den gelegentlichen Botendiensten dagegen drückten die Kommandanten beide Augen zu.
    Behutsam lenkte Amos die greise Stute durch den Wald hinab und die Straße entlang nach Kirchenlamitz. Sogar auf dem Schlossplatz, wo die Kommandantur in einem Seitenflügel der markgräflichen Residenz saß, ging es schläfriger zu als in der allerstillsten Gasse in Nürnberg. Mittlerweile verging kein Tag mehr, an dem Amos nicht von der Begierde gepeinigt wurde, so bald wie irgend möglich in die große Stadt zurückzukehren. Nur warum er das unbedingt wollte, das verstand er immer noch nicht.
    Er band sein Pferd an einem Schatten spendenden Baum fest und tätschelte ihm aufmunternd den Hals. Dann wandte er sich zu dem Soldaten um, der vor der Kommandantur Wache hielt. »Ich will nur rasch nachfragen …« Er unterbrach sich. »He, Marek! Schön, dich mal wieder zu sehen.«
    Der Rotschopf grinste unter seinem Helm hervor. »Gott zum Gruß, Herr Amos. Soll es wieder nach Nürnberg gehen?«
    »Von mir aus lieber heute als morgen.« Amos zuckte mit den Schultern. »Aber einen solchen Auftrag bekomme ich wohl so bald nicht wieder.«
    Marek zog eine mitfühlende Grimasse. »Ist wohl einiges schiefgegangen – dort in Nürnberg?«
    Wie er denn darauf komme, fragte Amos argwöhnisch zurück. Auf dem Rückweg hatte er mit den beiden Burschen damals kaum ein Wort gewechselt – die Enttäuschung über sein Versagen hatte ihm regelrecht die Kehle verschnürt. Und außerdem ging sie der Auftrag ja nichts an.
    »Na, auf dem Hinweg saht Ihr aus wie jemand, der sich auf einen köstlichen Schmaus freut«, erklärte Marek. »Und auf dem Rückweg wie einer, dem Kuhfladen aufgetischt worden sind.« Er grinste entschuldigend. »Nichts für ungut, Herr Amos. Aber an Bardo und mir lag es nicht, gelt? Wir sind geritten wie der Wind.«
    »Oh ja, das seid ihr.« Auch Amos musste grinsen. »Euch beide trifft keine Schuld.«
    Sie verabschiedeten sich freundlich. Kurz darauf, als Amos aus der Kommandantur zurück in die Mittagssonne trat, winkte er Marek mit einem großformatigen Brief zu. »Von meiner Schwester«, rief er, »sie kommt mich besuchen – und wer weiß, vielleicht bringe ich sie ja in ein paar Wochen nach Nürnberg zurück.« Sein Herz klopfte wie wild, seit er den Brief noch in der Kommandantur überflogen hatte.
    Marek salutierte. »Wie Ihr befehlt, Herr Amos – Bardo und ich geleiten Euch, wohin Ihr wollt.«
    Während ihn die Stute im Schritttempo zurück nach Burg Hohenstein schleppte, las Amos noch einmal Odas Brief.
    Liebster Bruder, ich kann es selbst noch kaum glauben, aber wahrscheinlich habe ich die gute Tante Ulrika durch mein unaufhörliches Bitten und Betteln einfach zermürbt. Also kurz gesagt: Sie lässt mich zu Dir fahren! Undsie besteht nicht einmal darauf, mitzukommen – was mich allerdings nicht verwundert, und Dich bestimmt noch weniger, denn über den ›Höllenpfuhl auf Hohenstein‹ schimpft die gestrenge Ulrika bis heute. Und ich will auch nicht über sie spotten, liebster Amos, schon gar nicht in dieser Sache: Wenn ich daran denke, wie Onkel Heribert mit seinen Kumpanen auf der Burg haust, sträuben sich mir die Haare himmelwärts. Versprich mir, dass Du mich immer beschützen und niemals zulassen wirst, dass mir diese schmutzigen Sauf- und Raufbrüder auf weniger als sieben Schritte nahe kommen. Wenn ich nur an diesen unglaublich groben und klobigen Hauptmann mit der blutigen Stirnnarbe denke! Ach, mein armer Amos, wenn unsere Eltern wüssten, in welchem Schlammloch Du aufwachsen musst!
    Aber ich will nicht klagen, im Gegenteil: Jubeln und singen will ich, denn schon am nächsten Sonnabend, dem IV. September, werde ich in Kirchenlamitz aus der Kutsche steigen, bestimmt mit durchgeschüttelten Knochen und über und über eingestaubt. Aber alle blauen Flecken und gestauchten Gliedmaßen werden ganz und gar vergessen sein, wenn Du mir die Kutschtür öffnest, liebster Bruder, und mich in Deine Arme schließt.
    Amos lenkte seine Mähre an den Straßenrand und befahl ihr, stehenzubleiben. Denn jetzt kam er zu dem Teil des Briefes, bei dem ihm vorhin in der Kommandantur fast das Herz

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