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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Mönch einfach in ihn hineingelaufen. Oder durch ihn hindurch?
    Das würde er bei nächster Gelegenheit ausprobieren, nahm sich Amos vor. Das Herz hämmerte ihm in der Brust, aber es war schon kein ängstliches Pochen mehr, sondern ein triumphales Trommeln. Jetzt bin ich ein richtiger Magier!, dachte er. Sich auf dem Gefühls- und auf dem Gedankenweg mit anderen verständigenzu können, war ja auch schon ziemlich großartig, aber das hier war doch noch etwas ganz anderes. Wie ein Geist konnte er sich im Nu zu einem weit entfernten Ort begeben und dort auch noch unbemerkt umherschleichen und alles ausspähen! Noch letzte Nacht, als er dieses Bauwerk hier zum ersten Mal in einer Vision erblickt hatte, war es nur wie ein Bild für ihn gewesen, das er bloß von außen anschauen konnte. Jetzt aber konnte er sich darin bewegen, wie er wollte – und das kam zweifellos daher, dass
Das Buch der Geister
diese weitere magische Gabe in ihm erweckt hatte.
    Aber aus welchem Grund wollte die Bruderschaft Opus Spiritus, dass er ausgerechnet hierherkam – und dazu noch im magischen Flug? Angeblich hatte Trithemius ja bereits damals auf telepathischem Weg zugehört, als Amos und Klara in der Bamberger Altenburg mit Fürstbischof Georg und der Bruderschaft zusammengetroffen waren. Und offenbar hatte derselbe Trithemius ihn nun hierher beordert, in das Kloster Sponheim, dessen Abt er war.
    Der alte Mönch schlurfte einen endlos langen, düsteren Gang entlang und Amos folgte ihm dichtauf. Wie nur konnte er jetzt herausfinden, wo in dem weitläufigen Bauwerk der Abt Trithemius steckte? Auf beiden Seiten des Gangs gab es unzählige Türen – ein paar Mal probierte Amos, ob er eine von ihnen öffnen könnte, aber bald schon gab er es auf. Er war nur ein körperloser Geist in dieser Welt, und alles, was er anzulangen versuchte, fühlte sich für ihn wie bunter Nebel an. Weder konnte er Klinken herunterdrücken noch Riegel zurückschieben und genaugenommen berührten nicht einmal seine Füße den Boden unter ihm.
    Obwohl er vor Ungeduld beinahe platzte, hielt er sich fürs Erste weiter an den alten Mönch. Allein im Stockdunklen, außerstande, auch nur eine Tür auf- oder zuzumachen, würde er Trithemius niemals finden. Schließlich gelangten sie in eine weitläufige Halle. Zahlreiche Türen führten von hier in weitere Räume oder Flure. Treppen wanden sich in die höher gelegenen Stockwerkehinauf. Bei allen guten Geistern, wie sollte er in diesem Labyrinth nur Trithemius finden – zumal er nicht einmal wusste, wie der Abt überhaupt aussah?
    Am einfachsten wäre es sicherlich, wenn er auf dem Gedankenweg Verbindung mit Trithemius aufnehmen würde. Aber dazu konnte sich Amos nicht überwinden. Der Abt war ihm unheimlich, auch wenn er nicht genau hätte sagen können, aus welchem Grund. Trithemius stehe »mit einem Fuß schon im Feuer«, hatte Hans Wolf ihm in Bamberg zugeraunt. Aber der junge Malerlehrling hatte so mancherlei dahergeschwätzt, was er lediglich vom Hörensagen wissen konnte. Allerdings hatte gestern auch Bruder Egbert den Namen Trithemius erwähnt – und zwar in einem Zusammenhang, der Amos alles andere als geheuer war. Zusammen mit dem Abt des Klosters Maulbronn, so hatte Egbert berichtet, habe sich Trithemius auffällig um jenen Knaben gekümmert, der angeblich vom Teufel gezeugt worden war: um Georg Faust, den in späteren Jahren so mächtigen und berüchtigten Zauberer, den unheimlichsten Menschen, mit dem Amos je zusammengetroffen war.
    Der alte Mönch durchquerte die Halle und schlurfte auf eine Tür zu, über der in goldenen Lettern Dormitorium stand – dort ging es also zu den Schlafräumen der Klosterbewohner. Er zog die Tür auf, und Amos wollte eben hinter ihm über die Schwelle schlüpfen, da fuhr der alte Mann heftig zurück. Amos war ihm zu dicht auf den Fersen gewesen, um sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, aber es schien auch keine Rolle zu spielen: Der Alte taumelte rückwärts durch ihn hindurch. Allem Anschein nach war Amos für die Bewohner dieser Welt nicht nur unsichtbar, sondern mit keinem ihrer Sinne wahrzunehmen, und auch sie selbst bestanden für ihn lediglich aus täuschend echt eingefärbter Luft.
    Doch schon im nächsten Moment hatte er diesen Gedanken gänzlich vergessen: Aus der Tür zum Dormitorium kamen ein halbes Dutzend Mönche in die Halle gestürzt, barfuß und mit schlaftrunkenen Gesichtern. »Feuer!«, rief einer von ihnen.
    »Riechst du nicht den Qualm, Bruder Josef?«,

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