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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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aufgeregt. Pferde waren schön, aber auch groß und unberechenbar. Würde Darek es lernen, mit ihnen umzugehen? Auf ihn kamen jede Menge neue Pflichten zu, das war klar – der Vater würde ihn einspannen. Zugleich würde aber Dareks Ruf im Dorf steigen. Die Jungs würden ihn anflehen, die Pferde striegeln und verpflegen zu dürfen, um zur Belohnung einen kleinen Ausritt machen zu können. Hugo würde sich zwar bestimmt nicht zum Anflehen herablassen, aber zumindest würde ihn der Neid zerfressen. Und Mischa und Hanka … Das Geläut der Kirchenglocke riss Darek aus seinen Überlegungen.
    Â»Ich muss gehen!«, rief er dem Vater zu. »Ich hab was vergessen!«
    Von hier aus konnte man nur das Dach und die hintere Mauer des Bauernhofs sehen, aber Darek wettete darauf, dass Hanka bereits vor der Tür stand. Sie war stets pünktlich.
    Â»Was hast du denn vergessen?«, fragte der Vater.
    Â»Ich habe versprochen, einen Schaltkreis zu bauen.« Er hoffte, dass sich der Vater mit dieser unvollständigen Antwort zufriedengab. Doch er hoffte vergeblich.
    Â»Für die Schule?«
    Â»Für Hanka.«
    Â»Hanka Bulisova?« Es war eine unnötige Frage, denn es wohnte keine andere Hanka als die Hanka der Familie Bulis in der Nähe. Vater verstand, denn er wollte gleich darauf wissen: »Warum hilft Mischa ihr nicht?«
    Darek zuckte die Achseln und reichte dem Vater die Maßschnur.
    Â»Soll ich Ema mitnehmen?«
    Vater schaute unschlüssig zu Ema hinüber. Er nahm sie nur ungern zu den Bienenstöcken mit. Sie war tollpatschig, passte nicht auf, wohin sie trat. Sie fasste alles an und war schon öfters gestochen worden.
    Â»Ich komme nicht mit, ich will bei Papa bleiben.« Sie setzte sich das Löwenzahnkränzchen auf und nahm Vater bei der Hand. »Machen wir einen Blumenstrauß für Mama?«
    Sie sagte es so unvermittelt, dass Vater stockte. Er blinzelte ein paarmal, als ob ihn eine plötzliche Erinnerung eingeholt hätte, dann nickte er schweigend. Darek empfand Erleichterung. Emas Anwesenheit war für ihn nicht mehr wegzudenken. Sie begleitete ihn überallhin und machte alles mit, sodass er sie manchmal gar nicht mehr wahrnahm. Doch wenn er sie mal für eine Weile loswurde, war es herrlich. In solchen Momenten durchdrang ihn ein so starkes Freiheitsgefühl wie am ersten Ferientag.
    Â»Ich bin dann mal weg.«
    Â»Wehe, du bringst die Werkstatt durcheinander!«
    Darek lief los. Er wusste nicht warum, aber er erhoffte sich etwas von diesem Treffen. Ob Hanka sich ebenfalls etwas erhoffte? Natürlich abgesehen von einem funktionierenden Schaltkreis! Während er bergab rannte, kehrten seine Gedanken immer wieder zur Vaters Frage zurück. Warum bat Hanka nicht Mischa, ihr zu helfen? Er war doch ihr Bruder, war zuvorkommend und in mancher Hinsicht sogar geschickter als Darek. Er baute ununterbrochen Modellflugzeuge und im Keller hatte er eine imposante Eisenbahn mit mehreren Zuggarnituren, Bahnhöfen und Signalampeln installiert. Vielleicht hatte sein Vater ihm ein wenig geholfen, aber der war eigentlich ständig unterwegs und auf Dienstreisen. Mischa musste den wesentlichen Teil der Arbeit allein gemacht haben. Und jetzt, da seine Schwester einen popeligen Schaltkreis bauen musste, war auf einmal Dareks Hilfe gefragt? Er wusste nicht, was er davon halten sollte, aber unangenehm war es ihm nicht.
    Â»Bin schon da!«, rief er, als er das Fahrrad von Hanka in der Einfahrt erblickte. Im Laufen wischte er noch schnell die kleben gebliebenen Grashalme von seinem T-Shirt herunter. Das Haar ließ er vorerst noch über der Stirn flattern. Wenn er unten am Fuße des Hügels war, würde er es sich in die Augen streichen.
    ***
    Hanka – die erste Begegnung. Es ist die überraschende Feststellung, dass Mischa eine Schwester hat. Ich stehe vor dem Weihnachtsbaum in ihrem Esszimmer, Frau Bulisova stellt Tassen auf den Tisch, bringt Tee.
    Â»Mischa kommt gleich. Möchtest du eine Schokoladenfigur?«, fragt sie mich.
    Ich nicke.
    Â»Such dir eine aus.«
    Ich bin sechs, geniere mich. Bei Bulis zu Hause bin ich nur selten und jedes Mal ziere ich mich. Ihr Haus ist so schön. Auch der Weihnachtsbaum ist prachtvoll geschmückt, mit einem elektrischen Goldstern auf der Spitze und mit Kunstschnee bespritzten Blättern. An den Zweigen baumeln unzählige Schokoladenfiguren und ich bin ratlos, welche ich mir

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