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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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sich, dass die Muschel schmetternd Happy birthday gesungen hatte – immer wieder, in einem fort. Dann war die Batterie leer und die Muschel landete in der Schachtel mit anderem alten Kram. Jetzt konnte man sie wieder gebrauchen. Darek nahm sie auseinander, untersuchte das Innenleben und schloss Drähte an die Kontakte an.
    Â» Happy birthday to you! «, brüllte die Muschel ihren Glückwunsch. Hanka, die gerade eine Blechdose durchsuchte, ließ sie vor Schreck fallen. Aus der Dose kroch eine weitere Spinne heraus. Ohne nachzudenken, hob Hanka den Fuß und trat auf sie.
    Â»Ups, Verzeihung!«, entschuldigte sie sich bei Darek. »Eine automatische Reaktion, die ich nicht steuern konnte.«
    Er zuckte mit den Achseln.
    Â»Du trampelst auf deinem Glück herum.«
    Â»Ich habe dir doch gesagt, dass ich genug davon habe.«
    Hanka kam näher und sah strahlend die singende Muschel an. Sie drückte auf den Schalter, die Muschel verstummte mitten im Wort. Sie drückte noch einmal, die Muschel brüllte aufs Neue. Hanka sprang Darek begeistert an den Hals.
    Â»Danke, danke, danke!«
    Â»Gern geschehen.«
    Â»Mit Sicherheit habe ich den originellsten Schaltkreis der ganzen Klasse! Ich kriege eine Eins!«, freute sie sich. Sie korrigierte sich jedoch sofort: »Ich meine, wir kriegen. Haben wir nicht gemeinsam daran gearbeitet?«
    Darek nickte zerstreut. Er war unfähig, etwas anderes als ihre Arme wahrzunehmen. Sie schlangen sich um seinen Hals und er hoffte, diese Umarmung würde möglichst lange andauern. Er kam sich vor, als wäre er mit Hanka gemeinsam in einen Schal gewickelt. Sie roch angenehm nach etwas, das er kannte, aber im Moment nicht zu identifizieren vermochte. Eigentlich war die Situation nicht neu für ihn, er hatte sie sich oft vor dem Einschlafen ausgemalt. Nicht exakt so wie jetzt, seine Vorstellungskraft hatte sie in allen möglichen Varianten angeboten, aber etwas war immer gleich geblieben: der enge Körperkontakt zwischen ihnen beiden.
    Â»Darf ich es also mitnehmen?«, fragte Hanka und löste gleichzeitig ihre Umarmung. Sie wich einen Schritt zurück und nahm ihren Duft mit.
    Â»Nein, darfst du nicht«, sagte er ironisch, um seine Enttäuschung zu überspielen. Er begriff, dass er eine Chance verpasst hatte. Er hätte etwas tun sollen, ihr einen Kuss geben oder es zumindest versuchen. Höchstwahrscheinlich wäre sie nicht empört gewesen. Vielleicht hatte sie sogar darauf gewartet. Jedenfalls war es jetzt zu spät dafür. Er schob ihr die Unterlage mit dem Schaltkreis hin und fing an, das Werkzeug und die abgezwickten Drahtreste, die auf dem Boden verstreut waren, aufzuräumen.
    Â»Darek?«
    Er blickte hoch. Hanka sah ihn mit funkelnden Augen an.
    Â»Ihr kommt doch hier ins Netz, oder?«
    Er nickte, als ob das die selbstverständlichste Sache der Welt sei. In Wirklichkeit gab es heftige Diskussionen zwischen Vater und ihm zu diesem Thema. Für Darek war der Anschluss ein absolutes Muss, aber der Vater sah das nicht ein.
    Â»Wozu soll das gut sein?«, fragte er. »Dieser ganze Kram zockt einem nur die Kohle ab!«
    Seit seiner Lohnkürzung reduzierte er die Haushaltskosten, wo es nur ging. Das Auto benutzte er selten, alle Glühbirnen hatte er durch Energiesparlampen ersetzt, Zeitschriften gestrichen, die Zeitung nur samstags wegen der Stellenanzeigen gekauft, den Fernseher abgemeldet. Ihn auf sein kaputtes Handy anzusprechen, traute sich Darek erst recht nicht. Vater besaß zwar selbst ein Handy und hatte es früher auch ganz normal benutzt, doch in letzter Zeit lud er seine Karte nicht mehr auf und drosselte sogar das Telefonieren aus dem Festnetz aufs Minimum. Er sparte bei allem – nur auf Alkohol, meistens den billigsten, konnte er nicht verzichten. Er kam sonst mit seinen Trauerausbrüchen nicht klar, die ihn überfielen und die er hartnäckig herunterzuspülen versuchte.
    Wenn Vater trank, ging ihm Darek aus dem Weg. Er wartete jedes Mal, bis Ema eingeschlafen war, kroch in die Flurecke oberhalb der Treppe, wo sich der Computer befand, und für zwei Stunden, manchmal auch für noch länger, tauchte er in die gefährliche Welt von Starship Ranger, kämpfte gegen das Böse im Universum oder herrschte in Lost Kingdoms. Ein anderes Mal spielte er Meisterliga, klicke sich durch Lieder und Spots auf Youtube und surfte ziellos im Netz. Wenn er dann todmüde und

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