Orangentage
teilnehmen, da er nach einer Sehnenentzündung einen verformten Huf hat. Schau mal!«
Furchtlos hob er Krokants rechtes Vorderbein an â der Huf war an der Innenseite deutlich schief getreten.
»Tut es ihm weh?«, fragte Darek.
»Wie soll ich das wissen? Nieco stört ihn das bestimmt, deswegen belastet er das Bein nicht. Zwing ihn vorerst nicht in den Trab. Ich hole einen Tierarzt, der schaut sich ihn erst mal an. Wenn du ihn ordentlich abbürstest und durchfütterst, dann wird aus ihm ein richtiger Prachtkerl, du wirst sehen!«
Anton sprach flieÃend tschechisch, wenn auch mit starkem Akzent. Es hörte sich an, als ob er ein Gebet verrichtete oder jemanden anflehte. Fand er den richtigen tschechischen Ausdruck nicht, half er sich mit einem polnischen aus, das passierte aber selten und wurde jedes Mal von einem entschuldigenden Lächeln begleitet.
»AuÃer Polnisch und Tschechisch spreche ich noch Slowakisch, Ukrainisch, Litauisch und Italienisch«, zählte er an den Fingern ab. »In jeder dieser Sprachen kann ich mich verständigen, aber in jeder fehlt mir ab und zu ein Wort. Pferden ist das wurscht. Sie verstehen alles, reagieren vor allem auf den Tonfall. Die Hauptsache ist, keine Angst zu haben. Man muss das Pferd vorher ansprechen, erst dann berühren. Und nähere dich immer von vorne, sodass es dich sehen kann, kapiert?«
Als Anton den letzten Hengst, Herkules, gebracht hatte, blieb er mit Darek bis in den späten Nachmittag am Rand der Weide stehen. Anton erzählte, dass er auf dem Land, in der Nähe von Kattowitz, aufgewachsen war. Nach dem Tod seines Vaters heiratete die Mutter nach Ostrawa. Anton wechselte in die tschechische Schule und dort lernte er Dareks Vater kennen.
»Ich kannte dort niemanden, aber Ota, dein Vater, fiel mir gleich auf, weil sein Kopf rot wie eine sowjetische Fahne war. Nur Hammer und Sichel fehlten«, erzählte er weiter. »Nie zuvor hatte ich so rotes Haar gesehen. Es hat mich beeindruckt. Ich bin auf dem Schulhof zu ihm gegangen und fragte, ob wir Freunde werden wollen. âºWarum nichtâ¹, antwortete er nur. ⺠Rozumiesz â¹, als ob ich ihm eine Hälfte von meinem Pausenbrot angeboten hätte! Und die Freundschaft dauert bis heute an â auch wenn wir uns mal längere Zeit nicht sehen.«
Anton hatte versprochen, dass Darek, wenn er bei den Pferden half, nach dem Verkauf auch einen Anteil bekommen würde. Man könne nicht im Voraus wissen, wie viel, aber er würde nicht leer ausgehen.
»Kauft sie denn überhaupt jemand?«, fragte Darek voller Zweifel. Er wollte sich nicht in die Angelegenheiten von Vater und Anton einmischen, aber beim Anblick der abgemagerten, schäbigen Tiere konnte er seine Bedenken nicht verhehlen.
»Darauf kannst du wetten!«, versicherte ihm Anton mit einer Bestimmtheit, dass Darek keine weiteren Fragen mehr stellte. Sowohl Vater als auch Anton waren erwachsene Männer und man durfte vermuten, dass sie wussten, was sie taten. Sie hätten zweifellos nicht in ein unsicheres Projekt investiert. Als sie später an jenem Tag alle zusammen mit dem silbernen BMW nach Bruntal zu einem festlichen Abendessen fuhren, Vater eine riesige Portion Eis bestellte, Anton lustige Geschichten aus der Kindheit zum Besten gab und auf der Rückfahrt Darek das letzte Stück bis Piosek ans Steuer lieÃ, löste sich sein anfängliches Misstrauen endgültig auf. Er nahm sich vor, all seine Kraft einzusetzen und die unansehnlichen Gäule in hübsche, gesunde Tiere zu verwandeln.
Gleich am nächsten Tag machte er sich an die Arbeit und gab sich wahrlich Mühe. Er bemerkte, dass ein gutes Drittel der Pferde überreizt war, sich blutig scheuerte oder biss. Auf Herrn Havliks Rat hin hatte Darek sich angewöhnt, den unruhigen Tieren das Fell mit einer Kardätsche zu bürsten, ihre Beine mit Essig abzuwaschen, um sie von den Eiern der Dasselfliege und von Milben und Haarlingen zu befreien. Er kämmte ihnen die Mähne und verlas den Schweif, reinigte die befallenen Stellen, rieb Ãl ein und entfernte Schorfe. Die ersten Ergebnisse stellten sich bald ein. Die Pferde wurden ruhiger, die gereizte Haut und die entzündeten Augen heilten schnell. Jetzt, einen Monat später, konnte jeder sehen, dass die Tiere zugenommen hatten und nicht nur ihr Fell, sondern auch ihre Laune viel besser geworden war.
»Das bewirkt die Schokolade. Kakao
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