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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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… Weißt du, wieso ich hiergeblieben bin?«
    Darek schüttelte den Kopf. Er hatte nie darüber nachgedacht. Herr Havlik war von Piosek nicht wegzudenken, so wie die Hügel drum herum. Nicht im Traum wäre es ihm eingefallen, dass er verschwinden könnte.
    Â»Wegen deiner Mutter. Ich wollte in ihrer Nähe sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, wegzugehen und sie vielleicht nie wiederzusehen.«
    Â»Waren Sie verliebt in sie?«
    Â»Vom ersten Tag an, als ich sie sah. Ich habe es ihr nie gezeigt, es hat mir gereicht, sie anzuschauen, mich mit ihr zu unterhalten. Sie hatte … Sie war so …« Herr Havlik machte eine Pause, die Erinnerung bewegte ihn. Nach ein paar Sekunden fuhr er schon ruhiger fort: »Als sie starb, war ich wütend auf das Schicksal. Ihr Tod hatte keine Logik. Es war ein dummer, unsinniger Zufall. Heute aber weiß ich, dass es ein Ereignis war. Keiner von uns hatte es erwartet, wir konnten nichts dagegen tun, wir hatten es nicht unter Kontrolle. Es hat uns alle gezwungen, unsere bisherige Richtung zu ändern. Einen anderen Weg zu nehmen. Und genau das wollen Ereignisse.«
    Â»Wie habe ich mich Ihrer Meinung nach geändert?«
    Â»Nimm es mir nicht übel, aber deine Mutter hat dich verwöhnt. Jetzt bist du selbstständiger und vernünftiger. Du hilfst deinem Vater, du kümmerst dich um deine Schwester, und ob du willst oder nicht, musst du zulassen, dass es eine Marta gibt, und ihr erlauben …«
    Â»Soll es sie doch ruhig geben!« Darek zog eine Fratze. »Aber so weit wie möglich weg von hier!«
    Â»Genau darum geht es – dass du sie in dein Leben lassen musst.«
    Darek holte tief Luft, um Herrn Havlik zu erklären, warum Marta für ihn absolut unannehmbar war, als er hörte, dass sich ein Motorrad näherte. Er spitzte die Ohren. In der Kurve oberhalb des Hauses bremste es ab und bog in den Hof ein. Der Scheinwerfer leckte das Küchenfenster ab, der Motor verstummte. Darek lief ein Schauer über den Rücken, er war nicht fähig, sich zu bewegen. Sein Mund war trocken, nicht einmal die Lippen konnte er befeuchten.
    Â»Sie sind da«, sagte Herr Havlik. »Mal sehen, welche Nachrichten sie uns bringen.«
    Obwohl seine Stimme Nervosität verriet, beruhigten seine Worte Darek. Sie erinnerten ihn daran, dass er, welcher Nachricht auch immer, nicht alleine gegenüberstand. In dem Augenblick ertönte ein Klopfen. Darek öffnete. Vor ihm stand Herr Mihule.
    Â»Habe ich dich geweckt?«, fragte er anstelle eines Grußes. Darek schüttelte den Kopf. Mit den Augen suchte er schnell den Hof ab. Vater war nirgendwo zu sehen. Darek spürte wieder einen Stich unter dem Adamsapfel.
    Â»Wo ist Papa?«, stieß er hervor, und ohne eine Antwort abzuwarten, bombardierte er den Wirt mit der nächsten Frage: »Und Kirke? Habt ihr sie gefunden?«
    Â»Haben wir«, sagte Herr Mihule und begrüßte Herrn Havlik, der inzwischen zur Tür gehumpelt war, mit einem Kopfnicken.
    Â»Wo?«
    Â»Ziemlich weit weg. Im Bach unter dem Sägewerk. Da, wo früher die kleine Brücke war. Sie ist in die Schlucht gefallen.«
    Â»Ist sie …«, Darek stockte, »… ist sie am Leben?«
    Herr Mihule bejahte. »Aber sie ist unterkühlt. Wer weiß, wie lange sie im kalten Wasser gelegen hat! Und sie wird noch eine Weile drinbleiben müssen, es wird nicht gleich gelingen, sie herauszuziehen. Sie ist wohl ziemlich zugerichtet, aber das werden wir erst bei Tageslicht sehen.«
    Â»Kann ich euch irgendwie helfen?«, fragte Herr Havlik unternehmungslustig. Seine Müdigkeit war wie weggeblasen, er schien voller Tatendrang. »Ich habe eine Plane zu Hause und eine Seilwinde mit dreißig Meter Seil. Man könnte vom Sägewerk aus …«
    Â»Alleine kriegen wir sie nicht herausgezogen. Wir haben schon die Feuerwehr gerufen«, sagte Herr Mihule.
    Â»Bevor die anfangen, sie zu befreien, sollte ein Tierarzt sie sehen«, meinte Herr Havlik besorgt. »Wenn sie Brüche hat oder Verrenkungen, kann er Bandagen anlegen. Und ihr etwas zur Beruhigung geben.«
    Â»Machen Sie sich keine Sorgen, der Arzt ist informiert. Er hat versprochen, zu kommen.« Herr Mihule wandte sich wieder Darek zu. »Dein Vater ist bei der Stute geblieben, ich fahre auch gleich wieder hin. Er will, dass du mir Gummistiefel und Handschuhe für ihn mitgibst. Und die alte Militärdecke

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