Orcs ante Portas
sogar aus der Stadt verbannt werden. Aber fahrenden Musikern scheint man das durchgehen zu lassen. Mittlerweile habe auch ich mich an sie gewöhnt und grüße sie einigermaßen höflich.
»Wir sind gerade noch rechtzeitig zurückgekommen. Die Straßen sind beinahe unpassierbar. Wir hatten schon Angst, unterwegs irgendwo liegen zu bleiben.«
»Vielleicht wünscht ihr euch noch, dass euch das passiert wäre, falls ihr im Frühling noch hier seid.«
Ich bemerke, dass Cimby ein in Papier gewickeltes Bündel in der Hand hält.
»Was ist das?«
»Blumen«, erwidert sie.
»Wir haben sie für Makri mitgebracht«, erklärt Bertax.
»Wir wissen ja, wie sehr sie Blumen mag.«
Ich verabschiede mich etwas steif von ihnen und gehe weiter über den überfrorenen Quintessenzweg. Turai hängt mir wirklich zum Hals heraus. Hier kann man kein ehrliches Dasein mehr fristen. Die ganze Stadt ist degeneriert. Wenn die Orks sie niederbrennen, tun sie uns letztlich nur einen großen Gefallen.
Auf dem Quintessenzweg sind nur wenig Leute unterwegs. Mir fällt auf, dass ich weder meinen Schlafzauber noch irgendeinen anderen magischen Schutz bei mir trage. Ich muss den geschriebenen Spruch in meinem Zauberlehrbuch lesen, um ihn mir wieder einzuprägen. Was natürlich bedeutet, dass ich in mein Büro hätte gehen müssen. Ein Grund mehr, Makri und ihre Freundinnen zu verwünschen. Erst vor wenigen Stunden wurde ich auf offener Straße angegriffen. Wer sagt mir, dass nicht eine weitere Horde Attentäter mir in diesem Moment auflauert? Ich frage mich, wer sie waren und wer sie geschickt hat. Sollte jemand in der Stadt wegen meiner Ermittlungen nervös geworden sein, hält er meine Fortschritte offenbar für erheblich größer, als sie in Wirklichkeit sind.
Aus einem Torbogen ruft jemand meinen Namen. Es ist eine zerlumpte Gestalt, die in der Kälte zittert. Kerk. Mein informeller Mitarbeiter, das heißt, er war es früher einmal. Mittlerweile ist er seiner Boahsucht so vollkommen verfallen, dass er kaum noch für etwas taugt, außer vielleicht zum Betteln.
»Ich habe etwas für dich«, sagt er eifrig.
»Was denn?«
Kerk hält mir seine Klaue hin. Er will erst Geld.
»Es ist schon lange her, dass du mir nützliche Informationen gegeben hast.«
Kerk ist ziemlich heruntergekommen und besteht fast nur noch aus Haut und Knochen. Er sieht aus, als habe er seit Wochen nichts mehr gegessen. Alles, was er an Geld zusammenkratzen kann, geht für Boah drauf. Als ich ihn so sehe, vermute ich, dass er diesen Winter nicht überleben wird. Ich krame ein paar Kupfermünzen aus der Tasche und gebe sie ihm. Eher als Anerkennung wegen seiner früheren Dienste, als weil ich erwarte, dass er tatsächlich etwas Nützliches weiß.
»Also, was hast du für mich?«
»Du ermittelst doch wegen Calvinius, richtig?«
»Richtig.«
»An dem Tag, an dem Calvinius ermordet wurde, haben Gardisten einen weiteren Leichnam in Thamlin gefunden. Öröxin. Ein Boahhändler. Ein kleiner Fisch.«
»Und?«
»Öröxin hat für Calvinius gearbeitet.«
»Welche Arbeit war das?«
»Informant.«
Laut Kerk hat Öröxin sein Einkommen damit aufgebessert, dass er alle nützlichen Informationen, an die er gekommen ist, an Präfekt Calvinius weitergegeben hat. Als Boahhändler erfuhr Öröxin gelegentlich durchaus Dinge, die den Präfekten interessierten.
»Wie ist er denn gestorben?«
»Stichwunden. Niemand wurde verhaftet.«
Ich gebe Kerk noch eine Münze und gehe weiter. Das könnte nützlich sein. Ein Informant von Calvinius, der am selben Tag ermordet worden ist. Die beiden Todesfälle könnten miteinander in Verbindung stehen. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass Öröxin wegen Boah ermordet wurde. Das ist ein ganz normales Los für einen kleinen Boahhändler.
Als ich die Hauptwache der Zivilgarde in unserem Viertel erreiche, ist Hauptmann Rallig so begeistert wie immer, mich zu sehen. Will sagen, überhaupt nicht. Wir kennen uns schon lange, der Hauptmann und ich. Wir haben gemeinsam gekämpft. Und auch eine Weile zusammengearbeitet, als ich beim Sicherheitsdienst des Palastes war und der Hauptmann noch einen besseren Posten in der Oberstadt bekleidete.
Seit ich den Palast verlassen und mich selbstständig gemacht habe, ist der Hauptmann nicht mehr ganz so freundlich zu mir. Die Zivilgarde hat wenig für private Detektive übrig. Und nachdem der Hauptmann von seinem behaglichen Posten gemobbt wurde und wieder in den Straßen von Turai patrouillieren muss, ist
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