Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
dann
gleich wieder mit verschränkten Händen nach vorne zu strecken. Die
Handgelenkknochen machten ein knackendes Geräusch und nur mit Mühe konnte er
ein Gähnen unterdrücken.
„Na, wie war´s?“, wollte er von Verena wissen.
„Fragen Sie besser nicht!“, antwortete sie und nahm hinter
ihrem Schreibtisch Platz. „Dieser Fall raubt mir den letzten Nerv!“
„Vielleicht baut Sie das hier auf?“ Keßler saß jetzt wieder
aufrecht auf seinem Stuhl und blickte freudestrahlend zu Verena hinüber.
„Was haben Sie denn Schönes gefunden?“
„Das Wichtigste zuerst. Unser Freund Vergil Nagy ist nicht in
unserer Datei und so sauber wie ein eben gebadeter Baby-Popo. Er hat noch nicht
einmal einen Eintrag im Flensburger Verkehrszentralregister.“
Verena fragte lachend: „Wenn das alles ist, was Sie gefunden
haben …“
„Keine Sorge! Ein Punkt nach dem anderen.“ Keßler räusperte
sich und rutschte auf dem Sitzkissen seines Drehstuhls hin und her.
„Vergil Nagy wurde am 8. März 1974 in Bagamér geboren. Das
ist eine kleine Stadt in Ungarn, in der Nähe der rumänischen Grenze. Aufgewachsen
ist er auf jeden Fall - man höre und staune - im Internat des Klosters Auethal.
Dort machte er 1992 sein Abitur und studierte danach in Queensland Pharmazie
und Toxikologie. Er ist zweifacher Doktor und arbeitet heute für einen
multinationalen Pharmakonzern. Die deutsche Hauptverwaltung des Unternehmens hat
ihren Sitz in Ismaning. Dort befindet sich auch sein Büro.“
„Sie sagen, dass er in Queensland studierte?
Das ist doch in Australien, oder?“
„Genau! Aber das ist noch nicht alles. Sein
Arbeitgeber ist die TAURIS PHARMA AG . Das Unternehmen erforscht,
entwickelt, produziert und vertreibt Produkte, die der Vorsorge, der Diagnose
und der Behandlung von Krankheiten dienen.“
„Das hört sich an wie eine Beschreibung in
einer Apotheker-Zeitschrift.“
„Warten Sie doch ab! Es kommt noch viel
besser. Nagy verantwortet dort den Bereich Spezial-Therapeutika, soll heißen Arzneimittel
zur Behandlung von Krankheiten des Zentralnervensystems . Das Unternehmen
arbeitet unter anderem an einem Medikament, dass in der Schmerztherapie als
Ersatzstoff für Morphin eingesetzt werden soll. Dabei wir auch das Gift der
Kegelschnecke Conus magus eingesetzt. Das steht zumindest so auf der Homepage
des Unternehmens.“
„Und was soll uns das sagen?“, bohrte Verena
weiter.
„Das sagt uns, dass der Mann Spezialist auf
dem Gebiet ist und sich ganz bestimmt mit Substanzen und Giften auskennt, die
das Zentralnervensystem beeinflussen.“
„Sie reden von Gift ?“
„Ja. Genau das meine ich!“
Keßler hatte vorhergesehen, dass seine
Chefin den Zusammenhang zwischen Nagys Aufgabenbereich und den Morden in Frage
stellen würde. Deshalb spielte er jetzt das zweite As, das noch in seinem Ärmel
steckte.
„Ich sage nur Australien ! Sie fragten
ja eben danach. Und ich gebe Ihnen noch ein zweites Stichwort. Kegelschnecke !“
Verena überlegte kurz, bevor sie antwortete.
„Vielleicht haben Sie Recht, Keßler. Lassen
Sie uns Ihrem Freund einen Besuch abstatten. Bis nach Ismaning ist es nicht so
weit. Wir sollten gleich losfahren, dann entgehen wir dem Berufsverkehr. Doch
bevor wir starten, tun Sie mir noch den Gefallen und geben Sie mal die beiden
Buchstaben SJ in die Suchmaschine ein.“
„Das lässt Ihnen wohl keine Ruhe, oder?“
Keßler hatte die Suchmaske auf seinem PC
aufgerufen und gab die beiden Buchstaben ein.
„350.000 Ergebnisse! Wer hätte das gedacht? Da
sind solche Vorschläge wie Polnisches Kennzeichen , Sozialistische
Jugend und …“
Keßler stoppte mitten im Satz.
„Und was?“, wollte Verena wissen.
„ jesuiten.org ! Erklärung von Pater
Volker Amberg SJ .“
Keßler
war schnell mittels einiger Mausklicks auf der Internetseite des Ordens. Er
blätterte eine Seite weiter. Dort stand unter Über uns :
„Jesuit“
kommt von „Jesus“. Und so verstehen wir uns auch: Wir sind „Gefährten Jesu“,
Männer, die in Freundschaft zu Jesus Christus leben und sich von Ihm in Dienst
nehmen lassen. Hinter unseren Namen schreiben wir das Kürzel SJ , Societas
Jesu , zu Deutsch: Gesellschaft Jesu.“
20
+++ Dienstag, 18. September - 17.30 Uhr · TAURIS PHARMA AG, Ismaning +++
In der riesigen Glasscheibe der
Konzernzentrale spiegelten sich die vorbeiziehenden Cumuluswolken, die auf kein
schönes Wetter hoffen ließen. Keßler stellte den Wagen auf dem rechts gelegenen
Besucherparkplatz
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