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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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normalen Umständen hätte ich niemals auch nur daran gedacht, das zu tun, was ich im Begriff war zu tun. Oder wenigstens hätte ich erst eine Pro-und-Kontra-Liste angelegt und so lange darüber gegrübelt, bis ich den Wahnsinn gelassen hätte. Aber nicht an diesem Tag. Die Panik vor einer Trennung von Jens hatte meiner Zurechnungsfähigkeit einen herben Schlag versetzt. Trotzdem zitterten meine Hände, als ich die Nummer wählte.
    » TC sibbeundzwanzisch, hier is et Rita.«
    »Guten Tag, Margot Schweinheim hier. Ich habe mein BlackBerry verloren und …«
    »Wat hann Se verlore?«
    »Mein BlackBerry.«
    »Wat ess dat denn?«
    »Ein Telefon mit Terminkalender und allen wichtigen Informationen.«
    »Aha. Un dat ess fott?«
    »Ja, und …«
    »Isch han et evver nit jefunge.«
    »Nein, deswegen rufe ich nicht an. Meine Termine waren alle in dem BlackBerry gespeichert, und jetzt wollte ich fragen, ob Sie mir sagen können, wann ich mit der Ursula auf dem Platz verabredet bin?«
    »Mit wem?«
    »Mit der Ursula Reinhardt.«
    »Meinen Sie et Uschi?«
    »Äh. Ja.«
    »Wieso saare Sie dat dann nit? Oder hatten Se den rischtigen Namen nur im Telefon jespeichert und nit in Ihrem Jehirn?« Sie lachte keuchend.
    »Ja, ähem«, hüstelte ich. »Ich meinte natürlich die Uschi. Also, wissen Sie, wann sie einen Platz gebucht hat?«
    »Do wolle mer ens luure.« Rita war für einen Moment still, während ich meine nassen Hände an einem Taschentuch abwischte. »Uschi un et Maggie sin am Trainiere – morje! Öm fünf.«
    »Morgen um fünf?«
    »Han isch doch jesagt! Schrieve Se et lieve op, bevor Se noch Ihre Kopp verliere.«
    Ich legte auf. Mein Herz bummerte. Natürlich würde ich da nicht hingehen. Niemals.

8
    Auf dem Weg nach Hause schossen mir panische Gedanken kreuz und quer durchs Hirn.
    London.
    Carla hatte Jens Tiger genannt.
    Mein ehemaliger Chef.
    Jens kann ruhig nach London gehen.
    Wie sie ihr Haar schüttelte. Wie in einer verdammten Shampoowerbung.
    London.
    Carla.
    London!
    In meinem Magen hatte sich ein Eisklumpen gebildet. Ich zitterte. Jens hatte schon dreimal versucht, mich anzurufen, aber ich war nicht drangegangen. Ich hörte auch nicht die Mailbox ab. Er müsste es mir schon ins Gesicht sagen, wenn er sich trennen wollte. Vier Monate vor unserer Hochzeit. Niemals würde ich ihm das verzeihen, wenn er mich und unsere zukünftigen Kinder sitzen lassen und damit meinen Eltern recht geben würde, dass er der falsche Mann für mich war.
    Es wäre das Demütigendste, was ich mir vorstellen konnte, wenn ich ihnen sagen müsste, dass er mich für eine Frau mit tollen Haaren verlassen hatte. Dann würden sie sich ansehen, erleichtert, und mir sagen: »Das haben wir sofort gewusst, dass das mit euch beiden nicht klappt«. Oder: »Hättest du auf uns gehört, hättest du Schluss gemacht und nicht er«. Oder: »Du solltest dir die Haare einfach kurz schneiden lassen, dann sähen deine auch toll aus.«
    Von der Bahnhaltestelle ging ich langsam nach Hause. Als ich in unsere Straße einbog, verlangsamte ich meine Schritte, um Kraft zu sammeln für das bevorstehende Gespräch. Auf meinem Lieblingsparkplatz direkt vor unserem Haus hatte jemand seinen Wagen so dämlich eingeparkt, dass es mir sofort auffiel. Es war ein roter Toyota mit Bonner Kennzeichen und einem Aufkleber auf der Heckklappe von der Universität Maastricht. Als ich vorbeiging, sah ich, dass die Fahrerin, eine junge Frau mit dicken, schwarzen Flechtzöpfen wie eine Indianerin, noch drin saß, als ob sie losfahren wollte. Wenn sie jetzt wegführe, könnte ich mein Auto schnell holen und es auf die Poleposition stellen. Falls mir Jens in unserem Gespräch nun eine Affäre gestehen würde, könnte ich mich sofort hinters Steuer setzen und losbrausen.
    Aber die Frau machte keine Anstalten, wegzufahren. Also ging ich ins Haus. Vor unserer Tür atmete ich ein letztes Mal durch, dann schloss ich auf.
    Jens kam mir entgegengelaufen. »Da bist du ja!« Er umarmte mich fest.
    Ich ließ es über mich ergehen.
    »Hör mal, Möhrchen, es tut mir leid, dass ich vorhin etwas gereizt war wegen meiner Schmerzen, aber die waren wirklich …«
    Wenn er jetzt wieder mit dem Zahnfleisch anfangen würde, müsste ich ihm eine scheuern.
    »Ach, lassen wir das«, sagte er angesichts meiner ungerührten Miene und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Also, Moni. Ich muss dir was sagen.«
    Mir rutschte das Herz in die Hose. Dieser Einleitung folgte nie etwas Gutes. Im Gegenteil, sie war

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