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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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immer die Vorhut für schreckliche Neuigkeiten wie »Ey, Punica, muss dir was sagen. Hab deine Puppe für ein Schulprojekt benutzt, und dafür musste ich ihr die Arme amputieren« oder »Puna, wir müssen dir was sagen. Oma Ingeborg ist gestorben.«
    »Gut. Sag, was du zu sagen hast«, antwortete ich tapfer. Den Mantel behielt ich an. Weil mir sowieso kalt war und weil ich gleich vielleicht effektvoll rausstürmen musste.
    Er seufzte. »Ich habe mich für eine Fortbildung beworben, mit der ich mich für eine Filialleitung qualifiziere«, sagte er. »Ein Trainingsprogramm für Bankmanager. Es geht um portfolio construction, fund selection …« Während er weitere englische Fachbegriffe aneinanderreihte, dachte ich immer nur an London und Carla.
    Als er endlich aufgehört hatte, mir das Programm runterzubeten, fragte ich heiser: »Und das ist in England?«
    Er nickte. »London.«
    »Und wie lange dauert das?«
    Er schaute zerknirscht, druckste herum, sagte dann: »Vier Wochen.«
    »Vier Wochen?« Ich schaute ihn verdutzt an. »Du bist nur vier Wochen weg?«
    Er nickte. »Viereinhalb, um genau zu sein.«
    »Und Carla kommt mit?«
    »Nein. Sie hat nur gesagt, dass sie das auch interessieren würde. Die ist doch viel zu blöd für so eine Fortbildung.«
    Ich fing vor Erleichterung an zu lachen. »Oh mein Gott, ich dachte schon, du würdest mit ihr durchbrennen!«
    »Blödsinn«, sagte er. »Wir heiraten im Juni – schon vergessen?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich erleichtert. »Und vorher komme ich dich an einem Wochenende besuchen! Das wäre doch klasse, oder?«
    »Da muss ich mal sehen, ob das geht«, sagte er. »Wegen der ganzen Termine und so.« Als er meine enttäuschte Miene sah, sagte er: »Aber es klappt bestimmt. Vielleicht am letzten Wochenende. Dann könnten wir zusammen nach Hause fliegen.«
    »Gute Idee«, rief ich.
    Ich war so froh, dass mir keine Trennung bevorstand, dass ich zur Feier des Tages schnell Cordon bleu briet, Jens’ Lieblingsessen nach Mutters Gulasch. Während des Kochens fiel mir dann allerdings auf, dass er mit mir gar nicht über seine Pläne gesprochen hatte. Und wie war er eigentlich auf die Idee gekommen?
    »Warum hast du mir vorher nichts von deinen Plänen gesagt?«, fragte ich so harmlos wie möglich beim Essen.
    »Ach«, meinte er. »Ich wollte die Pferde nicht scheu machen, für den Fall, dass nichts daraus wird. Die Bewerberzahl für das Programm ist immer sehr groß.« Er machte eine Pause. »Übrigens werde ich mich vorher noch um einige Sachen kümmern müssen, vor allem um meine Eltern.«
    »Wie läuft denn die Therapie? Macht ihr Fortschritte?«
    »Ja, das ist wirklich hilfreich«, sagte er schnell. »Aber wir müssen jetzt vielleicht noch ein paar Sitzungen mehr machen.«
    »Ist gut«, sagte ich. Solange er keine Sitzungen mit Carla machte, war mir alles recht.
    »Ach, und Möhrchen …?«
    »Ja, was denn?«
    »Im Kühlschrank herrscht das totale Chaos. Waren deine Eltern da, oder hast du das so unordentlich hinterlassen?«
    »Hä?«, entfuhr es mir, und ich war kurz davor, sauer zu werden. Wenn ich eines garantiert immer ordentlich hielt, dann den Kühlschrank. »Was meinst du denn?«, fragte ich verärgert und öffnete die Kühlschranktür. Und da stand neben meinen aufgestapelten Tupperdosen und den in Klarsichtfolie verpackten Möhren und Paprika ein kleines blaues Schmuckschächtelchen. Mein Ärger war sofort verflogen. »Was ist das denn?«
    »Ja, das weiß ich auch nicht«, sagte er lächelnd. »Mach mal auf.«
    Die Dose war von Cartier. Und darin waren zwei zauberhafte Ohrringe mit funkelnden, kristallklaren Steinen.
    »Sind das etwa Diamanten?«, fragte ich atemlos.
    Er nickte. »Gefallen sie dir?«
    »Aber wie …?«
    »Gehaltserhöhung!«, verkündete er. »Mertens hat Sorge, dass ich nach der Fortbildung gehen werde.«
    »Oh Mann«, rief ich. »Herzlichen Glückwunsch!«
    Ich fiel ihm um den Hals, und aller Ärger war wie weggeblasen.
    Am nächsten Tag ging ich mit meinen wunderschönen Ohrringen zur Arbeit. Natürlich fielen sie niemandem auf, außer der Sekretärin vom Chef, Frau Leimann, die ich auf der Toilette traf. Sie bewunderte sie sehr. Und dann senkte sie die Stimme und verriet mir im Vertrauen, dass Höveler überlegte, meine Probezeit noch einmal zu verlängern.
    »Aber die war doch schon zu Ende«, sagte ich.
    Frau Leimann nickte bedauernd. »Ich weiß.«
    »Aber …«
    »Keine Ahnung, wie das rechtlich aussieht. Ich wollte Sie nur schon

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