Ordnung ist nur das halbe Leben
ich finde es auch total blöd. Ich hätte es natürlich lieber gehabt, wenn du gekommen wärst. Ich liebe dich doch!«
»Ich dich auch«, sagte ich.
Also gut. Dann würde ich das Wochenende nutzen, um unsere Wohnung auf Vordermann zu bringen und mich auf ihn zu freuen. Nach etlichen ins Telefon gehauchten Küsschen legte ich beruhigt auf. Hauptsache war doch, dass er mir endlich verziehen hatte! Und wir im Sommer heirateten! Er arbeitete an unserer gemeinsamen Zukunft! Während ich …
Oh Mann! Wenn ich nur daran dachte, was ich vor nicht mal einer Stunde getan hatte! Aber das war nur ein kleiner Fehler gewesen, den ich ganz leicht ausbügeln konnte. Ich würde Lennart natürlich ausladen und ihn nie wiedersehen.
Mein Telefon klingelte schon wieder. Es war Saskia.
»Er hat mir verziehen«, rief ich ohne Umschweife ins Telefon. »Jens und ich heiraten wie geplant!« Ich hatte beschlossen, mich jetzt einfach so zu freuen, wie sich das gehörte.
»Das ist ja – super«, antwortete Saskia. »Freut mich für dich. Und was ist mit diesem Lennart?«
»Was soll schon mit dem sein?«, fragte ich pampig zurück. »Überhaupt nichts.«
Saskia lachte ihr tiefes Lachen. »So, so.« Und dann schob sie beiläufig nach: »Wie heißt Lennart eigentlich mit Nachnamen?«
»Heinrichs. So heißt jedenfalls seine Oma.«
»Wie heißt denn die Oma mit Vornamen?«
»Wieso willst du das denn wissen?«
»Ach, reine Neugier. Namen sagen ja total viel aus, über den Charakter und so. Ich habe in einem Buch gelesen, dass man niemals einen Udo heiraten soll. Oder so ähnlich.«
»Sie heißt Ruth. Und die Oma will ich auf keinen Fall heiraten.«
»Ha, ha. Auf jeden Fall freut es mich, dass du und Jens euch vertragt. Ich mag Hochzeiten.«
»Untersteh dich, jetzt wieder was über die Scheidungsquote zu sagen.«
»Mach ich nicht. Oh, es klingelt auf der anderen Leitung. Also, bis dann!« Sie legte auf.
Ich blieb noch eine Weile in meinem Auto sitzen, durch das offene Fenster strömte die Frühlingsluft hinein. Jens mochte es gar nicht, wenn man die Fenster aufmachte, dachte ich. Er bevorzugte die Klimaanlage. Ich schloss die Fenster, drehte die Lüftung auf und fuhr mit Banjo nach Hause.
Bei dem Gießdienst am nächsten Tag sah ich Lennart zu meiner Erleichterung nicht. Ich brachte es auch nicht über mich, bei ihm zu klingeln und ihm persönlich abzusagen. Also schrieb ich ihm einfach eine Postkarte. Ich hätte viel zu tun, deswegen würde das leider nichts mit dem Essen werden. Und außerdem würde ich endlich bei meinen Eltern ausziehen. Darunter schrieb ich noch: Viel Glück mit Deinen Algen, Gruß Moni. Die Lieferung überließ ich der Deutschen Post. Ich fühlte mich erleichtert, dass das Kapitel abgeschlossen war.
An dem Freitag, bevor ich ursprünglich nach London fliegen wollte, fuhr ich ein letztes Mal zum Haus meines Chefs. Am Montag würde er aus dem Urlaub wiederkommen. Ich wollte noch einmal die Bonsais gießen, alles sauber machen und sämtliche Spuren verwischen. Es war schon erstaunlich, wie vertraut mir die fremde Wohnung in den zwei Wochen geworden war. Ich mochte, wie das Nachmittagslicht durch die Panoramascheibe hineinfiel. Ich mochte die offene Küche mit dem Herdblock in der Mitte, von dem aus man den ganzen Raum sehen konnte. Hier hätte ich gerne gekocht. Ich meine, nicht für Lennart. Natürlich nicht! Sondern für meinen Verlobten, meine Freunde. Ich checkte das obere Badezimmer, wischte noch mal mit meinem eigenen Fensterleder über die Duschwand, dann kontrollierte ich, ob das zum zweiten Mal gereinigte Sommerkleid tatsächlich im Schrank hing. Ich strich einmal über die durchsichtige Plastikhülle und dachte an den schönen Abend, den ich darin verbracht hatte. Nein, besser noch, ich dachte an schöne Abende, die ich darin mit Jens verbringen würde. Ich stellte mir vor, wie Jutta Höveler sagen würde: »Das steht Ihnen doch viel besser als mir; ich schenke es Ihnen.« Oder: »Vielen Dank, mein Kind. Hier nehmen Sie dies für Ihre treuen Dienste.« Dann würde ich mich vielleicht sogar zu einem Knicks hinreißen lassen. Das Klingeln meines Handys riss mich aus den Gedanken.
»Hallo«, meldete ich mich.
»Puna Monday«, dröhnte es mir entgegen.
»Was ist denn, Papa? Brüll doch nicht so.«
»Weißt du, was passiert ist? Wir wurden bestochen!«
»Wie bestochen? Von wem? Wegen was?«
»Von einem schnöseligen Widerling im schwarzen Anzug. Er war bei Dirk und hat versucht, den Bürgerverein zu
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