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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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ich.
    »Schade, dass das mit dem Essen nicht geklappt hat.«
    »Ja, sehr schade«, sagte ich und konnte meine Augen kaum von ihm abwenden. »Aber ich hatte einfach – sehr viel zu tun.«
    »Ich auch. Sonst wäre ich auch früher rübergekommen.«
    »Ich auch«, log ich.
    »Und ich wollte dich auch nicht lange aufhalten, sondern mich nur verabschieden.«
    »Fährst du weg?«, fragte ich. »Schade.« Super, dachte ich.
    Er nickte. »Die Algen rufen. Ich muss für zwei Wochen nach Sylt, meine Forschungsstudie vorantreiben.« Er kam einen Schritt näher.
    Du musst ihn aus dem Garten herausbefördern, dachte ich, konnte mich aber nicht rühren.
    »Aber ich würde dich gerne wiedersehen. Du gehst mir nämlich nicht mehr aus dem Kopf.«
    Er beugte sich vor. Ich wich nicht zurück. Ganz sanft, ganz kurz küsste er mich auf den Mund. In meinem Hirn gab es einen Kurzschluss. Mein ganzer Körper kribbelte. Denkaktivitäten lahmgelegt. Er sah mir in die Augen, verschmitzt. Dann entdeckte er Banjo, der unter dem Kirschbaum lag und auf einem Ast rumkaute.
    »Hey, Banjo«, rief er und ging zu ihm, weiter in den Garten hinein. Ich konnte immer noch nicht klar denken. Ich bemerkte die Katastrophe erst, als es bereits zu spät war.
    »Oh, Entschuldigen Sie, dass ich hier so reinplatze«, hörte ich Lennart sagen. »Ich wusste nicht, dass noch jemand hier ist.«
    »Kein Problem«, dröhnte mein Vater mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre er hier zu Hause. Heiliger Zitronenstrauch. Und was jetzt?
    »Ich wollte mich nur eben von Moni verabschieden«, erklärte Lennart verlegen.
    »Und ich wollte gerade mit meiner Süßen ein Bad im Freien nehmen. Ist doch immer besonders prickelnd unter freiem Himmel!« Mein Vater lachte anzüglich. Igitt.
    Ich eilte Lennart hinterher. Im Whirlpool saß nur mein Vater. Meine Mutter war verschwunden.
    Lennart drehte seinen Kopf zu mir und sah mich verdutzt an. »Ach so«, sagte er langsam. »Verstehe.« Seine Gesichtszüge wurden hart. »Na dann. Viel Spaß!« Er wandte sich um und ging.
    »Lennart, warte«, rief ich, aber er eilte davon.
    »Bist du eigentlich noch zu retten?«, giftete ich meinen Vater an. »Jetzt denkt er natürlich …«
    »Was denn?«, fragte mein Vater begriffsstutzig wie eh und je.
    Nein, ich würde es ihm nicht erklären. Es war so schon peinlich genug. Und total igitt. Es schüttelte mich. Ich wollte Lennart nachlaufen, da fiel mir ein, dass meine Mutter nirgendwo im Garten war.
    »Wo ist Mama eigentlich?«, fragte ich.
    »Die musste mal aufs Klo.« Mein Vater lehnte sich genüsslich zurück und zeigte mit geschlossenen Augen auf die Terrassentür, hinter der die schneeweiße Wohnlandschaft begann. Oh Gott! Ich konnte nicht riskieren, dass meine Mutter irgendwelche Reviermarkierungen im Inneren des Hauses vornahm, und rannte hinein.
    Ich erwischte sie, wie sie nackt auf dem flauschigen Teppich vor dem schwarzen Bild stand, das Jutta Höveler als »unersetzliches objet « angepriesen hatte.
    »Mama«, mahnte ich mit zusammengepresstem Kiefer. »Geh bitte wieder raus.«
    »Man wird sich doch wohl mal umschauen dürfen. Schauerlich, diese Bude.«
    »Fass ja nichts an!«
    »Schon gut, schon gut.« Ich folgte ihr hinaus.
    »So, und jetzt macht ihr, dass ihr verschwindet«, sagte ich mit völlig ungewohnter Schärfe in der Stimme. »Ich muss schnell was erledigen, und wenn ich wiederkomme, seid ihr weg, verstanden?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte ich zum Garten hinaus und rüber zum Haus von Lennarts Großmutter. Es war mir so peinlich! Natürlich musste er denken, ich hätte ihn angelogen und hätte einen Freund – der so alt war und so aussah wie mein Vater. Auch wenn ich ihn nie wiedersehen wollte, wollte ich doch absolut nicht, dass er so was Schreckliches von mir dachte.
    Ich klingelte. Niemand öffnete. Ich klingelte wieder. Nach einer Ewigkeit öffnete sich die Tür. Es war Ruth.
    »Hallo, Moni. Was ist denn passiert?«
    »Es gab da mit Lennart ein Missverständnis, das würde ich gerne aufklären«, sagte ich hastig.
    Sie schaute betrübt. »Was denn für ein Missverständnis?«
    »Ähm. Das ist eine längere Geschichte, die würde ich ihm lieber selbst erklären.«
    Ich hörte ein Knacken und ein mechanisches Rollen. Das Garagentor! Der Opel Diplomat fuhr aus der Einfahrt.
    »Lennart«, rief ich, aber er hielt nicht an. Sobald er auf die Straße eingebogen war, gab er Gas. Enttäuscht schaute ich ihm hinterher.
    »Es tut mir leid«, sagte Ruth. »Lennart ist

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