Ordnung ist nur das halbe Leben
Hirngespinst war. Eine hormonelle Übersprungshandlung. Wegen des Kusses und weil ich im Begriff war, mich für den Rest meines Lebens an einen Mann zu binden. Da kann man schon mal einen Aussetzer haben. Ellen meinte, das sei normal. Na ja. Oder so ähnlich.
»Also, was machen wir denn jetzt mit dem Sessel?«, fragte ich und versuchte, mich wieder auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.
»Die Sache ist die«, fasste Saskia zusammen, »du hast zwei Möglichkeiten: Wir fahren jetzt zu der Werkstatt, aus der der Sessel stammt, und lassen das verdammte Ding reparieren. Oder du beichtest deinem Chef, dass du einen Fleck drauf gemacht hast, und lässt dich feuern.«
In dem Moment klingelte mein Handy. Bei dem Blick auf das Display gefroren meine Gesichtszüge. Ich musste dieses Ding wegschmeißen. Man hatte nur Stress, wenn man dauernd erreichbar war.
»Es ist mein Chef«, wisperte ich entsetzt. »Er ruft aus dem Urlaub an. Das bedeutet nichts Gutes! Was soll ich denn jetzt machen?«
»Geh ran. Benimm dich ganz normal!«, sagte Saskia.
»Ich kann nicht«, stammelte ich ängstlich.
Saskia schnaubte und drückte kurzerhand für mich auf Gespräch annehmen .
»Hallo?«, hörte ich meinen Chef sagen.
Ich sah Saskia fassungslos an und fragte stumm, aber mit wortreicher Gestik: Aber wie soll ich das denn machen?
Saskia antwortete in der Fuchtelsprache: Geh ran und benimm dich normal, sonst … Und dann machte sie eine Bewegung, als ob sie sich die Kehle durchschneiden würde.
»Hallo«, rief mein Chef noch mal.
»Hallo«, meldete ich mich mit schriller Stimme. »Hier Moni Steckelbach. Wer ist denn da?«
Saskia gab mir ein Zeichen, dass ich lockerer sein sollte. Aber das war gar nicht so leicht, wenn man es sein musste .
»Hören Sie!« Mein Chef hielt sich nicht mit Höflichkeitsfloskeln auf. »Meine Nachbarin ist zurück aus ihrer Kur. Sie hat mich eben angerufen. Sie hat gesagt, Puff-Louie und seine Frau wären in mein Haus eingedrungen.«
»Wie bitte?«, fragte ich entsetzt. »Aber das kann doch gar nicht sein!«
»Wieso das denn nicht? Dass der Typ irre ist, das ist doch wohl klar.«
»Aber, äh. Ich bin zufällig bei Ihnen in der Villa.«
»Und?«, schrie er. »Was ist gestohlen? Oh Gott! Was ist mit den Bonsais?«
»Alle da«, sagte ich.
»Es ist gar nichts geklaut worden?«
»Nein.«
»Ist denn irgendwas kaputt? Sagen Sie mir nicht, dieser Wahnsinnige hätte irgendwas demoliert! Ich zeige den an!«
Mein Blick fiel auf den Sessel. »Nein, hier – äh – ist wirklich alles in – äh – bester Ordnung.«
Saskia knuffte mich plötzlich in den Arm, weil ich so rumstammelte.
»Aua!«, entfuhr es mir.
»Was ist?«, brüllte mein Chef. Der Urlaub schien ihn nicht gerade ruhiger gemacht zu haben.
»Ich – äh – habe mich an der Gießkanne geschnitten.«
»An der Gießkanne?«
»Ja, äh, an Ihrer Spezial-Bonsai-Gießkanne. Die Tülle ist wirklich spitz. Und messerscharf.«
»Bluten Sie?«
»Ach, nein. Nur ein bisschen«, sagte ich.
»Halten Sie sich bloß von dem weißen Sessel fern. Der saugt jeden Fleck auf. Meine Frau flippt aus, wenn mit dem Sessel irgendwas ist! Fassen Sie ihn bloß nicht an!«
Ich schluckte. »Natürlich nicht. Auf keinen Fall.«
»Verflucht noch eins. Ich hätte nicht in den Urlaub fahren sollen. Ich habe es ja gleich gewusst. Was für ein Glück, dass ich am Montag wiederkomme.« Er legte auf.
»Mist«, sagte ich. »Er weiß, dass meine Eltern hier waren. Die Nachbarin hat gepetzt. Und wenn er den Fleck sieht, wird er denken, sie waren es. Und dann kriegen sie eine Anzeige.«
»Na und?«, sagte Saskia. »Ist doch nicht dein Problem. Verdient hätten sie es.«
»Aber das kannst du doch nicht zulassen!«, sagte Ellen. »Es sind deine Eltern!«
»Genau. Und genau das würde mein Chef rausfinden, wenn er sie anzeigt. Denn spätestens dann wird er ihren richtigen Namen erfahren.« Ich schaute meine Freundinnen an. »Die Sache ist klar: Niemand darf jemals davon erfahren.«
»Dann musst du ihn professionell reparieren lassen. Wenn du da irgendeinen Wald-und-Wiesen-Sattler ranlässt, bekommst du das Teil nachher in noch schlimmerem Zustand zurück«, gab Saskia zu bedenken.
»Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig«, seufzte ich.
»Uns«, sagte Saskia. »Wir lassen dich nicht allein.«
»Echt nicht?«, fragte ich erstaunt.
»Auf keinen Fall! Ich rufe jetzt in der Design-Werkstatt an.«
Tatsächlich meldete sich eine Dame, die Saskia sagte, dass die
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