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gut. Er hatte nicht gewusst, was der Polizist vorhatte, aber er hatte sich genau richtig verhalten, das Richtige gesagt ... oder eher das Richtige nicht gesagt. Wieso war er darin so geübt?
Er öffnete den Umschlag und reichte ihr zwei Plastikkarten, eine war ein Führerschein, bei der anderen handelte es sich um eine Kreditkarte. Sie schaute darauf, aber der Name sagte ihr nichts. Sie wollte sie schon wieder zurückgeben, als sie auf das Foto auf dem Führerschein blickte. Es war ihres.
„Wo hast du denn das her?“
„Russ hat das zusammengebastelt“, erklärte Eric.
„Das Foto habe ich von der Website deiner früheren Uni“, erzählte Russ mit einem stolzen Grinsen, weil er Sabrinas Überraschung fälschlicherweise als Kompliment auffasste. „Ich hab es runtergeladen und mit PhotoShop bearbeitet, damit die Frisur deiner jetzigen ähnelt. Ich hab dir sogar ein bisschen Sonnenbräune verpasst.“
Als sie, statt zu antworten, weiter die beiden Plastikkarten anstarrte, fuhr Russ fort: „Die Kreditkarte ist echt. Der Name auch. Kathryn Fulton lebt in London. Sie hat ihre Wohnung am Strand seit über einem Jahr untervermietet.“ Russ sah von Sabrina zu Eric und dann zu Max, als erwarte er Hilfe angesichts Sabrinas merkwürdiger Reaktion.
„Post kommt immer noch gelegentlich für sie an. Kreditkartenangebote und solches Zeug. Ich will nicht behaupten, dass die hier ewig funktioniert, aber das war das Beste, was ich tun konnte in weniger als vierundzwanzig Stunden.“
Sabrina wusste einfach nicht, was sie sagen sollte oder was denken. Es konnte doch nicht so einfach sein, oder doch? Das alles ging irgendwie viel zu schnell.
„Also nehme ich einfach eine andere Identität an?“
Niemand sagte etwas.
„Ich ändere meinen Namen und verschwinde?“, fragte Sabrina Eric und wollte, dass er sie ansah, anstatt sich weiter in dem verdammten Restaurant umzusehen. „Ist das deine Lösung, weil es bei dir so gut funktioniert hat?“
Das war unter der Gürtellinie, zumal vor seinen Freunden, und das wusste Sabrina auch.
„Ich überlasse Dad nicht einfach sich selbst“, erklärte sie und kümmerte sich nicht darum, dass die anderen bislang gar nicht wussten, dass sie seine Schwester war. Und dann überraschte sie sich selbst, weil es nicht um ihn ging oder seine Fehler, sondern um sie ganz allein. „Außerdem werde ich nicht wegrennen und Sidel weitermachen lassen mit dem, was er tut.“
Schweigend saßen sie da. Erics Blick schweifte schon wieder umher, aber diesmal wohl eher, um ihren Augen auszuweichen. Sabrina wäre am liebsten aufgestanden und gegangen, nur wusste sie ja gar nicht, wohin. Aber was blieb ihr, wenn sie Erics Versuch, ihr zu helfen, so einfach ausschlug?
„Eigentlich bin ich froh, dass du das gesagt hast“, sagte Max schließlich. Sie legte die zusammengefaltete Zeitung, die sie mitgebracht hatte, vor sich auf den Tisch. Dann blätterte sie sie auf und zeigte auf einen kleinen Artikel ganz unten auf der Seite. „Der ist aus dem ,Tallahassee Democrat’. Ich verfolge den Fall schon seit ein paar Wochen.“ Sie machte eine Pause und sah Eric an. Sabrina fragte sich, ob sie ihm damit die Möglichkeit lassen wollte, sie zum Schweigen zu bringen. So wie die beiden sich ansahen, konnte Sabrina sehen, dass zwischen den beiden noch etwas anderes lief.
Max schob die Zeitung zu Sabrina herüber. Ihr erster Eindruck von Max war gewesen, dass nichts sie überraschen oder erschüttern konnte. Sie beneidete sie, weil sie so cool war und so völlig furchtlos schien. Aber jetzt klang Max zaghaft, ihre Stimme war etwas leiser, und sie nestelte an der Zeitung herum. „Ich habe gesundheitliche Probleme, die ... na ja, sagen wir, ich habe nicht mit so was gerechnet. Und so was hier“, sie deutete auf den Artikel, „ist etwas, das keiner von uns einfach so ignorieren kann.“
„Toxine im Wasser.“ Sabrina las die Überschrift laut vor. Ihr fiel ein, was sie in der vergangenen Woche gelesen hatte, bevor sie auch nur eine Ahnung hatte haben können, dass EcoEnergy vielleicht etwas damit zu tun hatte. Schweigend las sie dann den ganzen Artikel, während sich ihr Magen wieder einmal zusammenzog. Der Artikel lautete:
Vor Kurzem wurde die Mineralwasserabfüllanlage von Jackson Springs außerhalb von lallahassee geschlossen, nachdem im Wasser Rückstände von Toxinen festgestellt worden waren. Mehrere Kunden hatten sich über Übelkeit und Kopfschmerzen beklagt, nachdem sie von dem Wasser getrunken
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