Organic
hatte, aus Müll Öl zu machen. Seinen Ruf würde es sicherlich bestätigen, wenn es EcoEnergy gelänge, einen hundertvierzig Millionen Dollar schweren Vertrag mit der Regierung in Washington über die Versorgung der US-Truppen abzuschließen. Das allein wäre schon ein großer Coup, konstatierte die Zeitschrift, weil dieser Auftrag bisher nie an ein einheimisches Unternehmen, sondern stets an Ölgesellschaften aus dem Mittleren Osten gegangen war. Sabrina wusste, dass mit diesem einen Auftrag EcoEnergy vom lediglich interessanten Newcomer zu einem ernst zu nehmenden alternativen Öllieferanten aufsteigen könnte.
Jetzt wo sie ihn persönlich erlebte, konnte Sabrina an Sidel weder Charme noch etwas Magisches ausmachen. Stattdessen benahm er sich wie das Sport-Ass, das er im College gewesen war. Obwohl er noch immer ein eindrucksvoller Mann war, fiel Sabrina doch auf, dass sich sein Bauch ein wenig über dem Gürtel wölbte und mangelnde Disziplin erkennen ließ. Trotzdem besaß er noch immer eine jungenhafte Ausstrahlung und einige weitere dazu passende Eigenschaften. Sabrina kam er sogar wie ein Student aus dem ersten Semester vor, der sich seiner Stimme und seiner physischen Ausstrahlung nicht recht sicher war und das mit albernen Scherzen, Bemerkungen oder Kommentaren zu überspielen versuchte. Anfangs waren das zusätzliche Informationen gewesen, als wolle er das Rattern und Klappern der Rohre über ihnen überdecken, wenn Sabrina eine Pause machte. Sie überlegte, ob er vielleicht einfach nur genauso nervös war wie sie selbst.
Sabrina fuhr in ihren Ausführungen für die Gruppe von fünfzehn Leuten, darunter potenzielle Investoren und ein Senator, fort: „Die thermische Umwandlung beschleunigt denselben Prozess von massivem Druck und extremer Hitze, mit dem die Natur aus kohlenstoffhaltigen Stoffen Erdöl macht. Wir verwenden dieselbe -“
„Wissen Sie, da muss ich an meine Lehrerin in der Highschool denken“, unterbrach Sidel sie aufs Neue. „Diesen Kram über geologische Prozesse unter der Erdoberfläche habe ich nie verstanden.“ Er lachte. Niemand stimmte ein. Sabrina und die anderen sahen ihn einfach nur an, aber er machte trotzdem weiter. „Wissen Sie, was sie tat, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben? Wir mussten uns mit dem Gesicht zur Tafel hinstellen und unsere Nase in einen Kreidekreis drücken. Und glauben Sie mir, meine Schnauze machte oft Bekanntschaft mit der Tafel.“
Dieses Mal lachten einige aus der Gruppe. Und da sah Sabrina, wie sich Sidel entspannte. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen und verlagerte sein Gewicht aufs andere Bein. Sidel war jemand, der permanente Aufmerksamkeit wollte, das aber auf eine Art erreichte, die niemanden sonderlich störte. Jedenfalls nicht am Anfang und solange er auf seine eigenen Kosten Witze machte und nicht jemand anderes durch den Kakao zog. Sabrina kannte diesen Typ, aber bisher hatte sie mit ihnen eher unter ihren Studenten zu tun gehabt und nicht als Chef. Aber sie wusste, dass ein Typ wie Sidel sehr schnell vom unterhaltsamen zum höchst unangenehmen Zeitgenossen werden konnte.
„Es muss doch unglaublich viel Öl kosten, diese Anlage am Laufen zu halten“, meinte Glenn Owens, einer der potenziellen Investoren.
„In unserem Fall kostet es eine Menge Schlachtabfälle“, witzelte Sidel.
Owens blieb ernst. „Aber mal ehrlich, ist es den Input wert, was hinterher dabei rauskommt?“, wollte er wissen und richtete seine Frage jetzt demonstrativ an Sabrina.
Owens war als Milliardär aus Omaha vorgestellt worden, der den Großteil seines Vermögens vor Jahrzehnten an der Seite von Milliardär Warren Büffet verdient hatte. Der große Gentleman mit grauem Haar trug Freizeitkleidung – Bundfaltenhose und Poloshirt, als hätte ihn die Führung im letzten Moment vom Golfspielen abgehalten. Aber er wollte eine Antwort auf seine Frage, und als Sidel ansetzte, hob er die Hand und brachte ihn zum Schweigen.
„Unsere Energieeffizienz liegt bei 85 Prozent“, erklärte Sabrina nach einer unangenehmen kleinen Pause. „Das bedeutet, dass wir von hundert Einheiten thermischer Energie aus Biomasse nur fünfzehn Einheiten für den Gewinnungsprozess aufwenden. Das gewonnene Öl kann umgehend für den Betrieb der Stromgeneratoren eingesetzt werden. Aber das meiste wird weiterverarbeitet zu Kfz-fähigem Diesel und Benzin.
„Und was ist mit dem Abfall?“ Owens war noch nicht überzeugt.
„Biomasse hinterlässt keine gefährlichen
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