Orgie im Mondschein
stieß zurück,
wendete und fuhr die ungeteerte Straße zurück, die
nach Salinas führte.
Das letzte, was ich von Bleeker im Rückspiegel sah, bevor mir eine Kurve die Sicht
nahm, war, daß er nach wie vor auf den Knien lag, als büßte er für eine
schlimme Missetat. Vielleicht dafür, daß er Carol Marchant in den Tod gejagt hatte? fragte ich mich.
VIERTES KAPITEL
G egen halb sieben Uhr abends,
als ich in mein Hotelzimmer in San Francisco zurückgekehrt war, klingelte das
Telefon. Es war Sally McKee.
»Hallo, Rick Holman!«
»Hallo, Sally McKee!«
»Haben Sie heute
abend etwas vor?«
»Soll das ein Angebot sein?«
Sie brach in ein warmes,
schnurrendes Lachen aus. »Das wäre vielleicht auch ein Gedanke! Ich habe einen
Mann aufgetrieben, der alles über Lincoln Page weiß. Wollen Sie mit ihm sprechen?«
»Klar!«
»Okay. Wollen Sie mir nicht
erst oben auf dem Mark einen Drink spendieren? Damit
ich Ihnen von ihm erzählen kann, bevor wir hingehen?«
»Klingt grandios.«
»In ungefähr einer halben
Stunde?«
»Großartig!«
Ich war rechtzeitig dort und
schaffte es, einen Tisch neben einem der Aussichtsfenster zu ergattern, mit
einem phantastischen Blick auf die Bucht. Es war jetzt die beste Zeit, um hier
zu sein — Sonnenuntergang — , und der Kellner mußte dreimal fragen, bevor ich
mich daran erinnerte, daß ich zwei Drinks bestellen mußte. Ich hielt das für
ein tragbares Risiko; wenn Sally McKee zu spät kam,
konnte ich allemal ihren Drink verputzen, bevor die Eiswürfel schmolzen.
Die Drinks trafen zwei Minuten
später ein, und etwa dreißig Sekunden später kam ein windzerzaustes blondes
Phantasiewesen, das aussah, als handle es sich um eine flimmernde, vielleicht
durch den Sonnenuntergang verursachte Halluzination. Dann stellte sich das
Ganze als eine solide Gestalt heraus, die aber dessen ungeachtet
weiterflimmerte. Sally McKee trug ein kurzes
Abendkleid aus weißem Baumwollorgandy, das mit zwei schmalen grünen Samtbändern
auf ihren Schultern festgehalten wurde; es war bis unten hin mit horizontalen
Streifen aus Spitzenrüschen besetzt. Die ganze Sache kam ein paar Zentimeter
oberhalb ihrer mit Grübchen versehenen Knie zu einem abrupten Abschluß, und jedesmal , wenn Sally atmete, flimmerte sie zugleich —
überhaupt flimmerte sie bei jeder Bewegung schlechthin, und mir flimmerte es
vor den Augen.
Sie setzte sich in einer Art
flimmernden Crescendos mir gegenüber und lächelte, so
daß ihre Oberlippe verschwand.
»Es tut mir leid, wenn ich zu
spät gekommen bin.« Ihre Brauen sahen bei dieser Möglichkeit überrascht drein.
»Sie sind nicht zu spät
gekommen«, blubberte ich. »Und wenn schon — wem macht das etwas aus?«
»Gut.« Sie sah mich zweifelnd
an. »Oder vielleicht ist das schlecht? Ich meine, ich freue mich, daß es Ihnen
egal ist. Aber war ich wirklich zu spät?« Sie schloß für ein paar Sekunden die
Augen. »Wer hat überhaupt mit dieser blöden Unterhaltung angefangen?«
»Es ist dieses Kleid, es
verwirrt mich«, sagte ich.
»Gefällt es Ihnen nicht?«
»Wahnsinnig! Aber es ist so
sexy, daß ich mich möglicherweise über den Tisch weg auf Sie stürzen und Sie
vor halb San Francisco vergewaltigen werde!«
»Das ist denkbar.« Sie grinste
boshaft. »Ich meine, Sie kommen ja schließlich aus Los Angeles. Nicht wahr?«
»Wir wollen über etwas anderes
reden, und zwar schnell«, sagte ich mit einem Seufzer. »Wer ist der Bursche,
der alles über Lincoln Page weiß, und wo haben Sie ihn aufgetrieben?«
»Er heißt Johnny Reinhart, und
ich glaube, unsere Unterhaltung gestern über Carol hat mich an ihn denken
lassen.«
»Wieso?«
»Sie fragten mich, ob Julie
irgendwelche Freunde hätte. Erinnern Sie sich? Nun, wie ich Ihnen schon sagte,
sie hatte keine, zumindest keine, von denen ich wußte. Aber Carol hatte einen:
Johnny Reinhart. Also rief ich ihn heute an: Ich hatte so eine Ahnung, und er
kennt Linc Page recht gut und kann ihn nicht
ausstehen. Wir sind deshalb heute abend um neun Uhr
mit ihm verabredet, und er kann uns die wahren Hintergründe über Svengali Page berichten.« Sie lächelte mir triumphierend
zu. »Was sagen Sie nun?«
»Großartig«, sagte ich. »Machen
Sie so weiter, und ich überreiche Ihnen meine Lizenz als Privatdetektiv.«
»Darum wollte ich Sie ohnehin
schon bitten«, sagte sie.
»Sie wollen meine Lizenz
haben?«
»Wissen Sie, das Leben kommt
mich mit meinen Gesangstunden und allem Drum und Dran sehr teuer.
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