Orgie im Mondschein
Mund.«
»Das ist lächerlich!« Sie
schluckte mühsam. »Ich bin eindeutig volljährig und durchaus fähig, meine
eigenen Entschlüsse zu fassen.«
»Wie wäre es, wenn Sie mich
davon überzeugen und mir ein paar Fragen beantworten würden?« schlug ich vor.
Sie lachte unsicher. »Was soll
das heißen? Soll das ein verschärftes Verhör sein?«
»Was bedeutet dieser Lincoln
Page für Sie?«
»Er ist ein guter Freund, mehr
nicht.«
»Ist er Ihr Manager?«
Sie zögerte eine Spur zu lang.
»Ich — vermutlich ja. Ich habe Lincoln noch nicht von diesem Gesichtspunkt aus
betrachtet, und ganz sicher zahle ich ihm kein Geld dafür. Aber er hat mir
diesen Job beim Angebundenen Ziegenbock beschafft und ein Repertoire an
Songs für mich zusammengestellt.«
»Den Gedanken an die Oper haben
Sie aufgegeben?«
»Ja.«
»Womit verdient Page seinen
Lebensunterhalt?«
»Er ist...« Wieder zögerte sie.
»Ich weiß es nicht. Ich nehme an, er hat irgendein privates Einkommen. Geld
scheint bei ihm keine Rolle zu spielen.«
»Leben Sie mit ihm zusammen?«
»Das ist eine unverschämte
Frage!« Ihre Augen funkelten vor Zorn. »Die Antwort ist ja, aber nicht in dem
Sinn, den Sie meinen!«
»Warum leben Sie dann mit ihm
zusammen?«
»Ich — brauche ihn.« Sie
blickte auf den Boden, und als sie wieder sprach, klang ihre Stimme abweisend.
»Nachdem Carol — meine Schwester — gestorben war, war Linc der einzige, an den ich mich um Hilfe wenden konnte. Wenn er nicht gewesen
wäre, so wäre ich, glaube ich, verrückt geworden. Er ist mein Beschützer — wenn
Sie so wollen.«
Ich blickte sie ein paar
Sekunden lang an, suchte dann eine Zigarette heraus und zündete sie an. Julie Marchant beobachtete mich eine Weile, und ihr breiter
sinnlicher Mund verzog sich ungeduldig.
»Nun?« fragte sie. »Noch
weitere Fragen?«
»Eine Menge«, sagte ich
grimmig. »Aber es ist sinnlos, sie zu stellen.«
»Sind Sie jetzt überzeugt?«
»Ich bin nur von einem
überzeugt«, sagte ich scharf, »und zwar davon, daß Sie das verlogenste Frauenzimmer sind, das ich je kennengelernt habe.«
»Sie sind unmöglich!« platzte
sie heraus. »Ich habe alle Ihre Fragen beantwortet, und nun glauben Sie mir
noch immer nicht — alles, was ich möchte, ist, daß Sie mich in Ruhe lassen!«
Sie schob ihr Glas Sally in die
Hand und stand dann auf. »Es ist sinnlos, mit Ihnen zu reden, Holman . Sie wollen mir einfach nicht glauben.«
Sie ging mit einem
verbitterten, entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht an mir vorbei, blieb dann
an der Tür stehen und blickte zurück.
»Bitte!« Ihr Gesicht schien
plötzlich zu zerfallen. »Sie wissen nicht, was Sie tun — wenn Sie sich hier
einmischen! Es ist gefährlich, entsetzlich gefährlich! Hören Sie!« Sie schien
für zwei Sekunden zu erstarren, »Haben Sie das gehört?«
»Was?«
»Dieses Rascheln — das...«
»Ich habe nichts gehört«, sagte
Sally schnell.
Julie Marchant blickte sich furchterfüllt um, als ob sie erwartete, daß irgend
etwas aus der Wand träte. »Ich bin nur bei Linc sicher«, murmelte sie. »Er kann sie abhalten — ich muß schnell zu ihm zurück.
Es war ein Fehler, hierherzukommen.«
»Wer sind sie?« fragte ich.
Nach dem Ausdruck ihres
Gesichts zu schließen, hatte sie die Frage überhaupt nicht gehört. Sie lauschte
erneut, mit konzentrierter Anspannung, aber ich konnte nichts hören als Stille.
»Sie machen sich bereit«,
stöhnte sie, »-für den Sabbat!« Sie wimmerte leise, drehte sich um und
rannte, von Panik ergriffen, in taumelnden Schritten hinaus.
Wir hörten die Wohnungstür
hinter ihr zuschlagen, und Sally blickte mich verdutzt an. »Was, zum Kuckuck,
sollte das nun heißen?«
»Dieselbe Frage wollte ich eben
Ihnen stellen«, sagte ich. »Glauben Sie, daß es reines Theater war?«
»Ich hätte es für echt gehalten«,
sagte sie langsam, »wenn das, was Johnny Reinhart uns vorhin von ihr erzählt
hat, nicht wäre. Vielleicht dachte sie, ein Appell an Ihr Mitgefühl würde etwas
nützen, und als es nicht klappte, beschloß sie, die Verrückte zu spielen.«
»Möglich.« Ich zuckte die
Schultern. »Eine Sache scheint mir absolut sinnlos: Wenn sie an Paul Reneks Angebot wirklich nicht interessiert ist, kann ich
nichts tun, um ihre Ansicht zu ändern, oder?«
»Stimmt!« Sally nickte.
»Worüber macht sie sich dann
Sorgen? Warum muß sie an mein Mitgefühl appellieren und, nachdem das nicht
geklappt hat, eine solche Schau abziehen? Sie braucht doch nur so lange
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