Oriental Basics
vertrauter für uns zu, schon alleine was das Tempo betrifft; denn wenn auch die Mutter arbeitet, bleibt wenig Zeit für romantische Pflichten. Aber das kennen wir ja. Und wir wollen in diesem Buch doch von Dingen lesen, die wir nicht kennen. Also folgen wir noch ein wenig dem Küchentag der traditionellen Familie des Orients. Wobei wir gestehen müssen, dass wir hier nur auf Gehörtes und Erzähltes vertrauen. Denn diese orientalische Küche ist kein Platz für Fremde und für Männer gleich gar nicht – ausgenommen jene Kerle, die noch keine sind. Doch auch für Söhne kommt die Zeit, in der sie als Teenager hinaus müssen in den öffentlichen Bereich, wo die Gäste sind, der Minztee gekocht wird und Papa mal was am Spieß grillen darf. Gut, wenn er da als kleiner Junge in der Küche richtig aufgepasst hat.
Die Basics fürs orientalische Frühstück sind Brot, Käse, Eingelegtes wie Oliven, Frisches wie Tomaten oder Gurken, Süßes wie Datteln oder Honig. Je nach Region kann dazu noch eine kräftige Suppe oder wie in Ägypten der Foul kommen, gekochte und angemachte braune Bohnen (Rezept > ). Manchmal wird Brot in Olivenöl getaucht, mit Kräutern oder Dukkah (Mischung aus Gewürzen, Nüssen und Samen) bestreut. In der Türkei steht Reçel, eine Art Marmelade, auf dem Tisch und in Marokko liebt man Beghir, plustrige Pfannkuchen mit Löchern, die Butter und Honig in sich aufsaugen. Zu trinken gibt es meist Tee – schwarz, grün, mit und ohne Minze – und seltener Mokka, ganz selten arabischen Kaffee.
Alle Zeit der Welt...
Wenn es mittags besonders heiß ist oder wenn die Familie tagsüber verstreut war, wird ums Mittagessen wenig Spektakel gemacht. Es gibt ein paar Mezze oder ein schnelles Gericht mit Brot, etwa würziges Rührei. Oder man holt sich Falafel, Spieße, Teigtaschen vom Straßenstand. Gibt es etwas zu feiern oder ist die Familie recht standesbewusst, wird ein traditionelles Mittagessen mit mehreren kalten und warmen Gerichten für viele serviert – was sonst am Abend gereicht wird. Stets fängt man früh mit dem Kochen an, denn so ein Topf Bohnen, noch mehr der halb gekochte und halb gedämpfte persische Reis und ganz besonders der traditionell zubereitete Couscous brauchen Stunden, bis sie perfekt sind.
Bleiben wir einmal beim Couscous. Wir haben da von einer Frau in Marrakesch gehört, die dem Erzählen nach wenig dem Bild der traditionellen Orientalin entspricht. Sie ist Geschäftsfrau, betreibt eine Manufaktur für Rosenwasser. Die Zahl ihrer Kinder ist nicht groß, und ihrem Sohn, der mit einer Französin verheiratet ist und in Deutschland lebt, hat sie das Kochen beigebracht. Das alles ist eher ungewöhnlich. Trotzdem trocknet sie ihre Gewürze immer noch nach alter Art auf dem Dach ihres Hauses, in das ihr auch niemals so etwas wie ein Instant-Couscous käme. Dieser vorgedämpfte und schnell quellende Grieß ist ja bei uns längst Standard, auch in den Orientshops. Nur gute Bio- und Feinkostläden haben hier den echten ursprünglichen im Angebot, mit dem auch unsere marokkanische Mutter kocht.
Dies geschieht üblicherweise am Freitag, dem islamischen »Sonntag«. Dann garen die Grießkörner in einer speziellen Couscousière, bei der wie bei unserem Dämpfer auf dem Gartopf ein Dämpfaufsatz sitzt. Unten wird das Ragout angesetzt, darauf kommt der Einsatz samt Couscous. Nach einem mehrstündigen Programm des Dämpfens, Ausschüttens, Abspülens, Durchrührens und Feinabstimmens ist er dann flockig, duftig und vollgesogen mit Aromen. Bereit, um zum flachen Kegel geformt vom Ragout umkränzt, serviert zu werden.
Man(n) bzw. frau nimmt sich im Orient auch in der Küche alle Zeit der Welt, damit die Gewürze sich entfalten können und jedes Stück zart genug wird, um es später mit den Fingern zu essen. Viele Stunden, Tage und Jahre lang entwickeln die Köchinnen so ein Händchen dafür, welches Gewürz wann wo drankommt und wie sich ein gut gemachter Teig anfühlen muss. Auch auf dem Basar macht ihnen keiner was vor, wenn sie früh Gemüse, Kräuter und Früchte holen. Aber dafür möchten sie gerne ihrer Tochter (Ausnahmen bestätigen die Regel) zeigen, wie sie in alle fünf Finger der rechten Hand dieses Gefühl für den richtigen Weg zum Geschmack bekommen. Und auch wenn die Tochter nicht im Traum daran denkt, später wie ihre Mutter das halbe Leben in der Küche zu verbringen – jetzt ist sie nun mal da und bei ihr, deswegen zupft sie gerne Petersilie, reibt die Tomate zur Sauce,
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