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Orphan 2 Juwel meines Herzens

Titel: Orphan 2 Juwel meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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abgeschafft, und damit endete dieses grausige Volksvergnügen. Seitdem hängte man Mörder ohne Zuschauer und begrub sie diskret in einem anonymen Grab auf dem Gelände von Newgate.
    Zumindest dafür war Harrison überaus dankbar.
    Er lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die kahle Wand der Zelle und sah hinauf zum vergitterten Fenster, durch das fahles Sonnenlicht fiel. Es gab kaum Möbel in dem Raum: einen wackligen Stuhl, einen Krug mit zahllosen Rissen und eine Waschschüssel. Des Weiteren ein Regal mit der Bibel und einem Gesangbuch, Teller, Becher und in einer Ecke endlich der fleckige Nachttopf. Ein Kerzenhalter war in die Wand eingelassen, in dem die Überreste einer billigen gelben Kerze steckten. Es ging ausgesprochen spartanisch zu in Newgate, verglichen mit dem Luxus, den Harrison sonst gewöhnt war.
    Doch das alles machte ihm sonderbarerweise kaum viel aus. Als man ihn verhaftet und hergebracht hatte, konnte er nicht mehr denken. Er war außer sich vor Zorn und Verzweiflung gewesen. Und dann hatten die Kopfschmerzen wieder begonnen, für die es hier kein Laudanum gab. Himmel, wenn er zuließ, dass der Schmerz ihn ganz übermannte, würde er bestimmt für immer den Verstand verlieren. Das durfte auf gar keinen Fall geschehen. Mühsam hatte er versucht, sich zu beruhigen und gleichmäßig tief zu atmen. Nein, er konnte diesem trügerischen Körper einfach nicht erlauben, ihn zu zerstören. Harrison hatte die Augen geschlossen und sich die Schläfen massiert.
    Erstaunlich, aber es war ihm tatsächlich gelungen, die Schmerzen zu unterdrücken.
    Zwar hatten sie ihn stundenlang gequält, aber keineswegs im üblichen Maße. Es war nicht schlimmer geworden als ein peinigendes dumpfes Pochen, begleitet von Übelkeit. Nicht zu vergleichen mit der vernichtenden Wirkung, die ein solcher Anfall sonst hatte.
    Als die Schmerzen verschwanden, hatte er endlich wieder klar denken können. Er musste unbedingt eine Strategie entwickeln. Wenn er sich auch in einer äußerst üblen Lage befand, war sie doch nicht vollkommen hoffnungslos. Obwohl es natürlich schwer werden würde...
    Am meisten Sorge machte er sich im Augenblick um seine Mutter, Charlotte und Flynn. Auf Telford war Verlass. Der alte Butler sagte Lady Bryden sicher kein Wort über die Verhaftung, von der er inzwischen zweifellos erfahren hatte. Die Nachricht hatte es nicht mehr in die Morgenzeitungen geschafft, dennoch sprach man in London bestimmt nur noch darüber. Vermutlich klopften gerade in diesem Augenblick neugierige Reporter an die Tür seines Hauses, um alle saftigen Einzelheiten zu erfahren. Telford würde seine Herrin so lange abschirmen wie nur irgend möglich und eine Erklärung für Harrisons Abwesenheit erfinden. Für eine Weile fand Lady Bryden sich damit bestimmt ab. Harrison musste an Margaret und Frank schreiben, damit die so schnell wie möglich herkamen. Frank würde eben lernen, die Familiengeschäfte zu verwalten. Falls die Verhandlung schlecht ausging, war er dann ohnehin bald der nächste Earl of Bryden. Besser nicht daran denken. Und Margaret konnte sich um ihre Mutter kümmern, auch wenn dies bedeutete, dass die Schwester ihre Kinder eine Weile allein ließ. Lady Bryden würde wahrscheinlich zusammenbrechen, sobald sie von Harrisons Verhaftung erfuhr.
    Zum ersten Mal im Leben hoffte er, seine Mutter möge nie mehr aus ihrer Traumwelt in die Wirklichkeit zurück-kehren. Das erschien im Vergleich ein gnädigeres Schicksal, als sich mit der traurigen Wahrheit zu arrangieren.
    Doch am meisten in Sorge war er um Charlotte und Flynn. Harrisons Anwalt hatte ihm das Geld an diesem Morgen bringen sollen. Nach seiner Verhaftung allerdings war Harrison gezwungen gewesen, den Mann hierher nach Newgate zu bestellen. Bei der Unterredung wollte er ihm  dann Anweisung erteilen, das Geld zusammen mit einer Nachricht diskret an Charlotte zu übergeben.
    Es gab so viel, was er ihr gern gesagt hätte.
    Sie sollte wissen, dass er nicht der Dieb und Mörder war, für den sie ihn zweifellos hielt. Außerdem musste er ihr unbedingt ausreden, sich noch einmal allein mit ihrem Vater zu treffen. Wenigstens ihre Brüder sollte sie mitnehmen, schon um Flynns willen. Ja, und schließlich wollte er ihr auch erklären, wie viel sie ihm bedeutete, wenn sie einander auch erst so kurz kannten. Mehr als jede andere Frau, die er je getroffen hatte. Charlotte wirkte so stark und besaß einen unglaublichen Mut... Sie war wie der gleißende Sonnenschein

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