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Ort der Angst (German Edition)

Ort der Angst (German Edition)

Titel: Ort der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mala Wintar
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Klinge zurück. Der Wachmann heftete die schreckgeweiteten Augen auf das Gesicht seines Mörders und brach zusammen. Miguels Finger strichen über den Horngriff seines Rasiermessers. Wenn später noch genug Zeit blieb, wollte er noch einmal zu dem Toten zurückkehren. Alte Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht ablegen. Jetzt aber lag eine dringendere Aufgabe vor ihm. Er musste sich sputen.
    Rasch überflog er den Standortplan des Museums und entdeckte schließlich, wonach er suchte. Sein Ziel befand sich im oberen Stockwerk. Unterwegs sah er Wandtafeln mit den Abbildungen alter Mayaglyphen. Darunter war zu lesen, dass sie bisher nicht vollständig entziffert werden konnten. Ein Lächeln umspielte seinen Mund. Er kannte ihre Bedeutung ganz genau.
    Manche der ausgestellten Objekte standen stumm und leblos in ihren Schaukästen und Halterungen. Anderen wiederum brauchte er sich nur zu nähern, um die Echos ihrer Vergangenheit wahrzunehmen; hier das Schlagen von Meißeln, die einst verschlungene Muster in diese Oberfläche gehauen, dort Bewegungen von Händen, die jene Vase an ihren neuen Besitzer weitergegeben hatten. Der Atem der Geschichte umwehte ihn im Vorübergehen.
    Endlich erreichte er seinen Bestimmungsort. In der Mitte des Ausstellungsraums, von indirektem Licht beschienen, thronte das Herzstück des Museums; ein gläserner Sarkophag. Alle Eile fiel von ihm ab, als er bedächtig darauf zuging und den Titel der Messingplakette vor der Absperrung laut vorlas. Ek Balam. Wie lange war es her, dass er diesen Namen ausgesprochen hatte? Der Anblick des Mumifizierten ließ eine Flut von Erinnerungen über Miguel hereinbrechen. Von der Kraft des einst jugendlichen Körpers war nichts mehr übrig. Braungrau verfärbt spannte sich die ausgetrocknete Haut über den vorstehenden Knochen des konservierten Leichnams. Miguel straffte die Schultern und sah sich um. Nach außen wirkte er beherrscht, doch die Stimmen in seinem Kopf gerieten völlig außer sich. Auf einem Podest entdeckte er eine steinerne Skulptur. Er ging hin und nahm sie auf. Vom Schrillen des Alarms begleitet, wandte er sich wieder dem Schaukasten zu. Abschätzend wog er die Figur in seiner Hand, holte aus und zertrümmerte das Glas.

 
     
    Kapitel 22
     
    „Du stirbst heute!“, sagte Oliver fröhlich und nickte Robert zu, als er auf dem Platz vor dem Hotel zu den anderen stieß.
    Der blickte irritiert um sich. „Meinst du etwa mich?“
    „Wen denn sonst? Du bist der einzige Redshirt weit und breit!“, gab er zurück und deutete auf das rote Hemd des anderen.
    „Das ist überhaupt nicht witzig! So etwas sagt man nicht mal im Scherz!“, zischte Melanie und hängte sich die Tasche um. Anna hingegen schien seine Bemerkung lustig zu finden. Sie grinste über das ganze Gesicht.
    Robert für seinen Teil zuckte lediglich mit den Schultern. „Schon vorhin beim Frühstück hast du den Mund ganz schön vollgenommen! Langsam könntest du konkreter werden, was du für heute geplant hast, statt nur vage Andeutungen zu machen. Willst du uns die alte Tempelstadt zeigen, die es hier in der Nähe geben soll?“
    „Was ich im Sinn habe, wirst du in keinem Reiseführer finden. Mehr verrate ich nicht!“
    „Hoffentlich wird das geheimnisvolle Erlebnis tatsächlich so toll, wie du behauptest!“
    „Das hoffe ich auch!“ Melanie musterte skeptisch ihre Kleidung. „Ansonsten müsste ich mich wirklich fragen, warum ich diese grauenhaften Sachen anziehen musste!“
    „Ich weiß nicht, was du hast! Was gibt es bei tropischem Wetter Schöneres, als dicke Stiefel und lange Hosen?“
    Oliver wunderte sich, dass Robert für diese Bemerkung nicht einmal giftige Blicke von Melanie kassierte. Sie musste ausgesprochen guter Laune sein. Um diesen Zustand weiter zu bestärken, sagte er daher: „Einen schönen Menschen entstellt nichts!“
    „Deswegen macht sie sich ja auch Sorgen!“ Annas Flüstern war gerade laut genug, dass Oliver es hören konnte. Ehe er sich über diese ungewohnt bissige Bemerkung Gedanken machen konnte, rauschte Tlacaelel auf seinem Pickup an und brachte das Fahrzeug mit einem Ruck zum Stehen. Oliver stellte dem Chiclero kurz seine Freunde vor. Der antwortete mit einem lässigen Wink und bedeutete ihnen, einzusteigen.
    Oliver hatte nicht bis zum nächsten Tag gewartet, um nach dem Gummisammler im Gasthaus Picardía zu fragen. Noch in derselben Nacht hatte er den Mann dort aufgesucht und das heutige Treffen vereinbart. Sobald Tlacaelel wusste, dass

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