Ort des Grauens
Stimme ganz konzentriert. Sie war fasziniert, obwohl sie sich dagegen gewehrt hatte. Sogar der phlegmatische Clint Karaghiosis, der die Geschichte immerhin zum zweiten Male hörte, war augenscheinlic h von ihr gefesselt.
Wenn Pollard kein Lügner war und kein delirierender Irrer - aber mit größter Wahrscheinlichkeit war er eben beides - dann war er in beinahe übernatürliche Ereignisse verstrickt. Julie glaubte nicht an das Übernatürliche. Sie versuchte, skeptisch zu bleiben, doch Pollards Auftreten und seine klare Schilderung überzeugten sie gegen ihren Willen.
Bobby begann, »Heiliger Strohsack, Jesus-Mann-Mensch, das ist ja ein tolles Ding« vor sich hin zu murmeln und jedesmal vor Überraschung auf den Schreibtisch zu schlagen, wenn die Geschichte eine neue Wendung nahm. Als der Klient... Nein, Pollard, nicht »der Klient«. Er war noch nicht ihr Klient ... Als Pollard also erzählte, wie er am Donnerstagnachmittag mit Blut an seinen Händen in einem Motelzimmer aufgewacht war, platzte Bobby heraus: »Wir übernehmen den Fall!«
»Bobby, warte«, bremste ihn Julie. »Wir haben noch nicht alles gehört, was Mister Pollard uns erzählen wollte. Wir sollten nicht...
»Na gut, Frank«, sagte Bobby, »was, zum Teufel, ist dann passiert... ?«
»Was ich meinte«, unterbrach ihn Julie, »war, daß wir die ganze Geschichte hören müssen, bevor wir entscheiden, ob wir ihm helfen können oder nicht.«
»Oh, klar können wir ihm helfen«, wandte Bobby ein. »Wir ...«
»Bobby«, sagte sie entschieden, »kann ich dich wohl für einen Augenblick allein sprechen?« Sie stand auf, durchquerte das Büro, öffnete die Tür zum dazugehörigen Waschraum und knipste dort das Licht an.
»Wir sind gleich wieder da, Frank«, sagte Bobby. Er folgte Julie ins Bad und schloß hinter sich die Tür.
Sie schaltete den Abluftventilator an der Decke ein, dessen Lärm ihre Stimmen dämpfen sollte, und sprach im Flüsterton. »Was ist bloß mit dir los?«
»Nun, ich habe Plattfüße und dieses häßliche Muttermal mitten auf dem Rücken.«
»Du bist unmöglich.«
»Plattfüße und ein Muttermal -das sind Fehler, die du nicht in Kauf nehmen willst? Du bist eine harte Frau.«
Der Raum war klein. Sie standen zwischen dem Waschbecken und der Toilettenschüssel, standen fast Nase an Nase. Er küßte sie auf die Stirn.
»Bobby, um Himmels willen. Du hast Pollard eben gesagt, wir würden seinen Fall übernehmen. Möglicherweise tun wir's gar nicht.«
»Warum sollten wir nicht? Er ist faszinierend.«
»Erstens hört er sich an wie ein Irrer.«
»Nein, das tut er nicht.«
»Er behauptet, irgendeine fremde Macht hätte dafür gesorgt, daß dieses Auto sich in seine Bestandteile auflöst, habe die Straßenlampen ausgepustet. Komische Flötenmusik, geheimnisvolle blaue Lichter ... Dieser Kerl hat den National Enquirer zu lange gelesen.«
»Aber genau das ist es doch. Ein wahrhaft Irrer hätte längst eine Erklärung für das, was ihm da passiert ist. Er würde behaupten, er sei Gott begegnet oder Marsmenschen. Dieser Kerl ist verwirrt, sucht nach Antworten. Das ist für mich eine ganz gesunde Reaktion.«
»Und zweitens haben wir eine Firma, ein Geschäft, Bobby. Ein Geschäft. Wir arbeiten nicht zum Spaß. Wir arbeiten für Geld. Wir sind keine verdammten Freizeit-Detektive.«
»Er hat Geld. Du hast es selbst gesehen.«
»Was, wenn es heißes Geld ist?«
»Frank ist kein Dieb.«
»Du kennst ihn kaum eine Stunde und bist sicher, daß er kein Dieb ist? Du bist zu vertrauensselig, Bobby.« »Danke.« »Das war kein Kompliment. Wie kann man nur die Art von Arbeit tun, die wir tun, und so vertrauensselig sein?« Er grinste. »Ich habe dir vertraut, und das hat sich als richtig erwiesen.«
Sie ließ sich nicht von seinem Charme erweichen. »Er sagt, er weiß nicht, woher er das Geld hat, dann laß uns mal annehmen, wir nähmen ihm diesen Teil seiner Geschichte ab. Und laß uns ruhig auch annehmen, daß du recht hast und er kein Dieb ist. Dann ist er möglicherweise ein Drogendealer. Oder sonstwas. Es gibt tausend Möglichkeiten, daß das Geld heiß sein könnte, ohne daß es gestohlen ist. Und wenn wir herausfinden, daß es heiß ist, können wir nicht behalten, was er uns bezahlt hat. Wir müssen es den Bullen übergeben. Und dann werden wir unsere Zeit und Energie vergeudet haben. Abgesehen davon -es wird eine schmutzige Sache werden, eine unangenehme.«
»Warum sagst du das?« fragte er.
»Warum ich das sage? Er hat
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