Ort des Grauens
und inzwischen bestimmt längst zu tausend Jahren verurteilt worden.«
»Es gibt da einen noch wichtigeren Grund, warum ich nicht zur Polizei gehen kann. Da könnte ich mich genausogut gleich an die Öffentlichkeit wenden. Die Presse würde möglicherweise Wind erhalten und ganz wild darauf sein, eine Geschichte über diesen armen Kerl zubringen, der Amnesie und Taschen voller Bargeld hat. Dann würde er wissen, wo er mich finden kann. Das Risiko kann ich nicht eingehen.«
»Wer ist >er<, Frank?« fragte Bobby.
»Der Mann, der mich in dieser Nacht gejagt hat.«
»So, wie Sie es sagten, glaubte ich, Sie hätten sich an seinen Namen erinnert, hätten einen bestimmten Kerl im Sinn.«
»Nein, ich weiß nicht, wer er ist. Ich bin nicht einmal völlig sicher, was er ist. Aber ich weiß, er wird wieder hinter mir her sein, wenn er erfährt, wo ich bin. Also kann ich mich nicht so weit herauswagen.«
Vom Sofa erklang Clints Stimme: »Ich sollte wohl jetzt das Band umdrehen.«
Sie warteten, während er die Kassette aus dem Recorder holte.
Obwohl es erst drei Uhr war, war der Tag voll im Griff einer falschen Abenddämmerung, die man kaum von der echten unterscheiden konnte. Die Brise am Boden bemühte sich, mit dem Wind zu konkurrieren, der die Wolken in größerer Höhe vorantrieb. Von Westen wälzte sich eine dünne Nebelwand heran, die nichts von der Trägheit an sich hatte, mit der Nebel sich gewöhnlich vorwärtsbewegten. Der Dunstschleier wirbelte und schäumte auf und brachte die milchige Masse in Fluß, die im Begriff schien, die Erde mit den Gewitterwolken da oben zu verschmelzen.
Nachdem Clint den Recorder wieder in Gang gesetzt hatte, fragte Julie: »Frank, ist das das Ende Ihrer Geschichte? Als Sie am Samstagmorgen aufwachten, die neuen Sachen trugen und die Papiertasche mit dem Geld neben Ihrem Bett fanden?«
»Nein. Es war nicht das Ende.« Er hob den Kopf, schaute sie aber nicht an. Er starrte an ihr vorbei, in den trüben Tag hinaus, der hinter den Fenstern lag. Nein, eigentlich schien er etwas zu betrachten, das viel weiter weg war als Newport Beach. »Möglicherweise hört es ja niemals auf.«
Dann holte er aus der zweiten Reisetasche, aus der er bereits das blutbesudelte Hemd und den Beutel mit dem schwarzen Sand gezogen hatte, ein Halbliter-Einmachglas, eines von der Art, in dem man Obst und Gemüse konserviert. Es hatte einen robusten Metallbügel, mit dem der Glasdeckel auf dem Gummi festgehalten wurde. Das Glas war mit offenbar rohen, ungeschliffenen, trüb strahlenden Edelsteinen gefüllt. Einige schienen mehr zu glänzen als andere, sie sprühten und funkelten.
Frank öffnete den Deckel, kippte das Glas und goß einen Teil seines Inhalts auf die Preßholzplatte des Schreibtischs, die ein helles Holz vortäuschen sollte.
Julie beugte sich vor. Bobby trat näher, um sich die Steine etwas genauer anzusehen.
Die weniger ungleichmäßigen Steine waren rund, oval, tropfen- oder rautenförmig, einige der Flächen waren leicht gekrümmt, sanft gewölbt, und manche waren natürlich facettiert, hatten viele scharfe Kanten. Dann gab es richtige Klumpen, ungleichmäßig, ausgezackt, mit vielen Einschüssen. Manche waren so groß wie dicke Weintrauben, andere erbsenklein. Alle waren rot, obwohl es sich tun verschiedene Abstufungen handelte. Das Licht brach sich in ihnen. Es sah aus, als glitzere ein scharlachroter Teich auf der hellen Oberfläche des Schreibtischs. Die Prismen der Steine zerlegten das diffuse Lic ht der Lampen und warfen funkelnde, blutrote Speere an die Decke und an eine Wand, ließen die Akustik-und Steinplatten aussehen, als seien sie von leuchtend strahlenden Wunden übersät.
»Rubine?« erkundigte sich Bobby. »Sie sehen nicht aus wie Rubine«, meinte Julie. »Was für Steine sind es. Frank?« »Ich weiß nicht. Möglicherweise sind sie nicht mal etwas wert.«
»Woher haben Sie die Steine?«
»Samstagnacht konnte ich nicht richtig schlafen. Immer nur ein paar Minuten. Ich habe mich hin und her geworfen, bin wieder aufgeschreckt, kaum war ich einmal eingedämmert. Angst zu schlafen. Und auch am Sonntagnachmittag habe ich kein Nickerchen gemacht. Aber gestern abend war ich dann so erschöpft, daß ich die Augen nicht mehr aufhalten konnte. Ich schlief angezogen ein, und als ich heute morgen aufwachte, waren meine Hosentaschen voll mit diesen Dingern.«
Julie pickte sich einen der glänzenderen Steine aus dem Häufchen heraus, hielt ihn vor ihr rechtes Auge und
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