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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Andererseits waren eine Menge Dinge wichtig, die er nicht verstand. Natürlich wußte er, was ein Ei war. Er wußte, was eine Kuh war. Sie gab Milch, aber keine Eier. Und wenn man nicht nur von einer Kuh sprach, sagte man Kühe, nicht »Kuhs«. Eier kamen von den Hühnern. Er sagte sich, daß es doch eine ziemlich schlimme Sache war, wenn Kühe plötzlich Eier legten. Aber diese Mary sagte, Ei-Kuhs wären gut, und sie hätte einen hohen für eine Down-Patientin.
    »Ich bin eine Debile leichteren Grades«, sagte sie. Sie war wirklich froh darüber, das konnte man sehen.
    Thomas wußte nicht, was ein Debiler war, aber bei Mary konnte er nirgends etwas entdecken, was leichteren Grades sein könnte. Sie war fett und fast überall wabbelig.
    »Du bist vermutlich auch ein Debiler, Thomas, aber du bist es nicht in einem so leichten Grad wie ich. Ich bin fast normal, und du bist dem Normalen nicht so nahe wie ich.«
    All dies verwirrte Thomas nur.
    Derek verwirrte es sogar noch mehr, das konnte man sehen, und dann sagte Derek mit seiner dumpfen, heiseren, manchmal schwer zu verstehenden Stimme: »Ich? Kein Debiler.« Er schüttelte den Kopf. »Cowboy.« Er lächelte. »Cowboy.«
    Mary lachte ihn aus. »Du bist kein Cowboy, und du wirst niemals einer sein. Du bist ein Imbeziler, ein Schwachsinniger mittleren Grades.«
    Sie mußten sie bitten, es noch ein paarmal zu sagen, bis sie es kapierten, obwohl sie es auch dann nicht richtig begriffen. Sie konnten es sagen, wußten aber genauso wenig, was es war, wie sie wußten, wie diese Ei-Kuhs aussahen.
    »Es gibt normale Menschen«, sagte Mary, »dann unter ihnen die Debilen, dann die Imbezilen, die dümmer sind als die Debilen, und dann sind da die Idioten, die sogar noch dümmer sind als die Imbezilen. Ich bin eine Debile leichteren Grades, und ich werde nicht für immer hier sein. Ich werde ein gutes Mädchen sein, mich benehmen, hart arbeiten, um normal zu sein, und eines Tages werde ich wieder zurückgehen in die Zwischenstation, in das Rehabilitationszentrum.«
    »Zwischenstation -wohin?« fragte Derek. Und Thomas fragte sich das ebenso.
    Mary lachte ihn aus. »Zwischenstation auf dem Weg zum Normalsein, was mehr ist, als du jemals sein wirst, du armer verdammter Imbeziler.«
    Diesmal merkte Derek, daß sie auf ihn hinuntersah, sich über ihn lustig machte, und er versuchte, nicht zu weinen, aber er tat's.
    Er wurde ganz rot im Gesicht und heulte, und Mary grinste irgendwie böse. Sie war ganz aufgeblasen, stolzgeschwellt, aufgeregt, so als hätte sie eben einen großen Preis gewonnen. Sie hatte ein schlimmes, ein böses Wort gebraucht verdammt -, und sie sollte sich schämen.
    Aber sie schämte sich nicht, das konnte man sehen. Sie sagte das andere Wort noch einmal, das Wort, von dem Thomas jetzt wußte, daß es auch ein schlimmes, ein böses Wort war: »Imbeziler«, und sie sagte es wieder und wieder, bis der arme Derek aufstand und wegrannte, und dann schrie sie es ihm sogar noch nach.
    Thomas ging zurück in das Zimmer, das er mit Derek teilte, und suchte nach Derek. Derek war in dem Wandschrank, hielt die Tür von innen zu und flennte. Einige der Schwestern und Pfleger erschienen, und sie redeten wirklich nett auf Derek ein, aber er wollte nicht aus dem Wandschrank heraus. Sie mußten lange auf ihn einreden, bis er endlich einverstanden war, den Schrank zu verlassen, aber auch dann konnte er nicht mit dem Weinen aufhören.
    Deshalb mußten sie ihm nach einer Weile »etwas geben«. Hin und wieder, wenn man krank war, wie beispielsweise wenn man die Grippe hatte, mußte man »etwas nehmen«, was bedeutete, eine Pille, rund oder lang, weiß oder rot oder blau, groß oder klein. Wenn sie einem jedoch »etwas geben mußten«, bedeutete das immer eine Nadel, eine Spritze, und das war immer schlecht. Thomas hatten sie niemals »etwas geben müssen«, denn er war immer ein guter Junge.
    Derek aber, so nett er auch war, fühlte sich manchmal so unwohl in seiner Haut, daß er gar nicht aufhören konnte zu weinen, und manchmal schlug er auch selbst auf sich ein, schlug sich ins Gesicht, bis die Haut aufplatzte und er ganz blutig war, und selbst dann konnte er nicht aufhören. Derek schlug niemals irgend jemand anderen, er war nett, doch »zu seinem eigenen Besten« mußte man ihm manchmal etwas geben, das ihn entspannte oder ihn manchmal sogar zum Schlafen brachte. Das war das, was an diesem Tag passiert war, weil Mary, die Debile leichteren Grades, ihn einen Imbezilen genannt

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