orwell,_george_-_tage_in_burma
Fällen geht, hölzern und übermäßig groß vor. Aber sie holte Elizabeth und ergriff die Gelegenheit, ihr vor der Tür zuzuflüstern: »Sieh zu, daß du diesen gräßlichen Mann so bald wie möglich los wirst, Liebes. Ich kann ihn zu dieser Tageszeit hier im Haus nicht ausstehen.«
Als Elizabeth eintrat, klopfte Florys Herz so heftig, daß hinter seinen Augen ein rötlicher Nebel vorbeizog. Sie trug ein seidenes Hemd und Reithosen und war ein bißchen sonnengebräunt. Selbst in seiner Erinnerung war sie nie so schön gewesen. Er bebte; im Augenblick war er verloren, jedes Fetzchen seines mühsam zusammengerafften Mutes war dahin. Statt vorzutreten und auf sie zuzugehen, scheute er tatsächlich zurück. Hinter ihm gab es einen furchtbaren Krach; er hatte ein Tischchen umgeworfen, und eine Vase mit Zinnien rollte über den Fußboden.
»Ach, entschuldigen Sie!« rief er entsetzt.
»Ach, das macht doch nichts! Bitte, machen Sie sich keine Gedanken darüber!«
Sie half ihm den Tisch aufheben, und die ganze Zeit plauderte sie so heiter und ungezwungen, als wäre nichts geschehen: »Sie waren aber wirklich lange weg, Mr. Flory! Sie sind uns ganz fremd geworden! Wir haben Sie im Club so vermißt!« usw. usw. Sie unterstrich jedes zweite Wort mit dieser tödlichen, glitzernden Lebhaftigkeit, die eine Frau annimmt, wenn sie sich vor einer Verpflichtung drücken will. Er war verängstigt. Er konnte ihr nicht einmal ins Gesicht sehen. Sie griff nach einer Schachtel Zigaretten und bot ihm eine an, aber er lehnte ab. Seine Hand zitterte zu sehr, als daß er eine nehmen konnte.
»Ich habe Ihnen dieses Fell mitgebracht«, sagte er matt. Er entrollte es auf dem Tischchen, das sie gerade aufgehoben
hatten. Es sah so schäbig und jämmerlich aus, daß er wünschte, er hätte es nicht mitgebracht. Sie trat zu ihm, um das Fell anzusehen, so nah, daß ihre blumenhafte Wange keinen halben Meter von ihm entfernt war und er die Wärme ihres Körpers spüren konnte. So groß war seine Angst vor ihr, daß er eilig einen Schritt zurücktrat. Und im selben Augenblick trat auch sie zurück mit einem Zusammenzucken des Ekels, da der faulige Geruch des Fells ihr in die Nase gestiegen war. Er schämte sich schrecklich. Es war fast so, als stänke er selbst und nicht das Fell.
»Vielen, vielen Dank, Mr. Flory!« Sie hatte einen weiteren Meter zwischen sich und das Fell gelegt. »Was für ein wunderschönes Fell, nicht wahr?«
»Das war es, aber man hat es leider verdorben.« »O nein! Ich freue mich so, es zu haben! - Sind Sie für lange
wieder in Kyauktada? Wie schrecklich heiß müssen Sie es im Lager gehabt haben!«
»Ja, es war sehr heiß.«
Drei Minuten lang sprachen sie tatsächlich über das Wetter. Er war hilflos. Alles, was zu sagen er sich vorgenommen hatte, all seine Argumente und Bitten waren ihm in der Kehle verdorrt. »Du Idiot, du Idiot«, dachte er, »was machst du? Bist du dafür zwanzig Meilen weit gelaufen? Los, sag, was du sagen wolltest! Nimm sie in die Arme; zwing sie, dich anzuhören, tritt sie, schlag sie - alles lieber, als dich von ihr mit diesem Geschwätz ersticken zu lassen!« Aber es war hoffnungslos, hoffnungslos. Er brachte kein Wort über die Lippen außer diesen Banalitäten. Wie konnte er bitten oder argumentieren, wenn ihre flotte mühelose Art jedes Wort auf das Niveau von Clubgeschwätz herabzog und ihn zum Schweigen brachte, bevor er überhaupt sprach? Wo lernen sie das, dieses schrecklich muntere Geschnatter? Zweifellos in diesen flotten modernen Mädchenschulen. Das Stück Aas auf dem Tisch beschämte ihn jede n Augenblick mehr. Da stand er fast stimmlos, plump und häßlich mit seinem nach der schlaflosen Nacht gelben und faltigen Gesicht und seinem einem Schmutzfleck gleichenden Muttermal.
Sie entledigte sich seiner nach wenigen Minuten. »Und jetzt, Mr. Flory, s eien Sie mir nicht böse, aber ich muß wirklich - «
Eher murmelnd sagte er: »Wollen Sie nicht wieder einmal mit mir herauskommen? Laufen, schießen - irgend etwas?«
»Ich habe jetzt gerade so wenig Zeit! All meine Nachmittage sind ausgefüllt. Heute nachmittag reite ich aus. Mit Mr. Verrall«, setzte sie hinzu.
Möglicherweise wollte sie ihn mit diesem Zusatz verletzen. Zum erstenmal hörte er nun von ihrer Freundschaft mit Verrall. Er konnte den toten, matten Ton des Neides nicht aus seiner Stimme verbannen, als e r sagte:
»Reiten Sie viel mit Verrall aus?«
»Fast jeden Nachmittag. Er ist ein so wunderbarer Reiter! Und er
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