orwell,_george_-_tage_in_burma
alle Worte. Die Aura des Reiters und Soldaten umgab ihn. In seinem gebräunten Gesicht und seinem festen, geraden Körper sah Elizabeth die ganze Romantik, die prachtvolle
Angeberei eines Kavalleristenlebens. Sie sah die Nordwest grenze und den Cavalry Club, sie sah die Poloplätze und die ausgedörrten Kasernenhöfe und die braunen Schwadronen der Reiter, die mit schwebenden Lanzen und den fliegenden Schleppen ihrer Pagris galoppierten; sie hörte die Hornsignale und das Klingen der S poren und die Regimentsmusik, die vor der Messe spielte, während die Offiziere in ihren steifen, prachtvollen Uniformen beim Essen saßen. Wie herrlich war sie, diese Reiterwelt, wie herrlich! Und es war ihre Welt, sie gehörte dazu, sie war dafür geboren. Sie lebte, dachte, träumte nichts als Pferde, fast wie Verrall selbst. Es kam eine Zeit, da sie ihre Flunkereien, ›daß sie sehr viel auf Jagd gewesen sei‹, beinahe selbst glaubte.
Sie kamen in jeglicher Hinsicht gut miteinander aus. Er langweilte und reizte sie nie, wie Flory es getan hatte. (Tatsächlich hatte sie Flory in diesen Tagen fast vergessen; wenn sie an ihn dachte, fiel ihr aus irgendeinem Grund immer sein Muttermal ein.) Es verband die beiden, daß Verrall alles ›Intellektuelle‹ noch mehr verabsche ute als sie. Er eröffnete ihr, daß er seit seinem achtzehnten Jahr kein Buch gelesen habe und daß er eigentlich Bücher ›verabscheute‹; »außer, natürlich, Jorrocks und dergleichen«. Am Abend ihres dritten oder vierten Ausrittes trennten sie sich am Tor der Lackersteens. Verrall hatte allen Einladungen von Mrs. Lackersteen zu Mahlzeiten erfolgreich widerstanden; er hatte keinen Fuß in das Lackersteensche Haus gesetzt und beabsichtigte es auch nicht zu tun. Als der Groom Elizabeths Pony übernahm, sagte Verrall :
»Ich will Ihnen was sagen. Wenn wir das nächste Mal ausreiten, sollen Sie Belinda reiten. Ich den Kastanienbraunen. Ich glaube, Sie sind gut genug vorwärtsgekommen, daß Sie Belinda nicht das Maul zerschneiden werden.«
Belinda war die Araberstute. Verrall besaß sie seit zwei Jahren, und bis zu diesem Augenblick hatte er sie keinem anderen anvertraut, nicht einmal dem Groom. Es war die größte Gunst, die er sich vorstellen konnte. Elizabeth verstand die Größe dieser Gunst und würdigte sie dankbar.
Als sie am nächsten Abend Seite an Seite heimwärts ritten, legte Verrall den Arm um Elizabeths Schultern, hob sie aus dem Sattel und zog sie an sich. Er war sehr stark. Er ließ den Zügel fallen und hob mit der freien Hand ihr Gesicht zu seinem empor; ihre Münder begegneten sich. Einen Augenblick hielt er sie so, dann ließ er sie auf die Erde sinken und rutschte von seinem Pferd. Sie umarmten einander, ihre dünnen, durchnäßten Hemden aneinander gepreßt, die beiden Zügel in seiner Armbeuge gehalten.
Etwa um dieselbe Ze it faßte Flory zwanzig Meilen weit weg den Entschluß, nach Kyauktada zurückzugehen. Er stand am Rande des Dschungels am Ufer eines ausgetrockneten Baches, wo er spazierengegangen war, um sich müde zu machen, und winzigkleine, namenlose Finken beobachtete, die sich von dem Samen des hohen Grases nährten. Die Hähnchen waren chromgelb, die Weibchen wie weibliche Sperlinge. Zu klein, um die Halme zu biegen, schwirrten sie auf sie zu, ergriffen sie mitten im Fluge und drückten sie mit ihrem Gewicht zur Erde. Flo ry beobachtete die Vögel ohne Neugier und haßte sie beinahe, weil sie keinen Funken Interesse in ihm entzünden konnten. Müßig schlug er mit seinem Dab nach ihnen und verscheuchte sie. Wenn sie hier wäre, wenn sie hier wäre! Alles - Vögel, Bäume, Blumen, alles - war tot und sinnlos, weil sie nicht hier war. Mit dem Vergehen der Tage war das Bewußtsein, daß er sie verloren hatte, gewisser und gegenwärtiger geworden, bis es jeden Augenblick vergiftete.
Er bummelte ein Stückchen in den Dschungel hinein und hieb mit seinem Dah nach den Schlingpflanzen. Seine Gliedmaßen fühlten sich schlaff und bleiern an. Er bemerkte eine wilde Vanillepflanze, die über einem Busch hing, und bückte sich, um an ihren schlanken, duftenden Schoten zu riechen. Der Duft weckte in ihm e in Gefühl von Schalheit und tödlicher Langeweile. Allein, allein, eine Insel im Meer des Lebens! Der Schmerz war so groß, daß er mit der Faust an einen Baum schlug, sich den Arm zerkratzte und zwei Knöchel aufriß. Er mußte zurück nach Kyauktada. Es war Wahnsinn, denn kaum vierzehn Tage waren vergangen seit der Szene zwischen
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