orwell,_george_-_tage_in_burma
Vielleicht würde der Padre sie bei seinem nächsten Besuch, schon in sechs Wochen, vermählen.
Ellis und Westfield und der neue Militärpolizist nahten vom Club heran, wo sie noch schnell vor dem Gottesdienst ein paar gekippt hatten. Der Fors tbeamte, der anstelle von Maxwell geschickt worden war, ein bläßlicher, großer Mann, der, abgesehen von zwei barthaarähnlichen Büscheln vor den Ohren völlig kahl war, folgte ihnen. Flory hatte gerade Zeit genug, Elizabeth »Guten Abend« zu wünschen, als sie eintraf. Als Mattu sah, daß alle anwesend waren, hörte er auf, die Glocke zu läuten, und der Geistliche führte sie hinein, gefolgt von Mr. Macgregor, mit seinem Topi an seinem Bauch, und den Lackersteens und den einheimischen Christen. Ellis zwickte Flory in den Ellbogen und flüsterte ihm benebelt ins Ohr:
»Los, Antreten zur Schnief- Parade. Vorwärts, marsch!« Er und der Militärpolizist gingen hinter den anderen her, Arm
in Arm, im Tanzschritt - und der Polizist wippte mit seinem fetten Hintern, eine Pwe-Tänzerin nachahmend, bis sie drinnen angelangt waren. Flory setzte sich in die gleiche Bank wie diese beiden, gegenüber Elizabeth, zu ihrer Rechten. Es war das erste Mal, daß er es je gewagt hatte, mit seinem Muttermal ihr zugewandt zu sitzen. »Schließ die A ugen und zähle bis fünfundzwanzig«, flüsterte Ellis, als sie sich setzten, was dem Polizisten ein Kichern entlockte. Mrs. Lackersteen hatte bereits ihren Platz am Harmonium eingenommen, das nicht größer als ein Schreibtisch war. Mattu postierte sich bei der Tür und begann, den Punkah zu ziehen - er war so angeordnet, daß er nur über den vorderen Bankreihen flatterte, wo die Europäer saßen. Flo kam den Gang heraufgeschnüffelt, fand Florys Bank und ließ sich unter ihr nieder. Der Gottesdienst begann.
Flory war nur zeitweise mit seinen Gedanken dabei. Er war sich dunkel bewußt, daß er aufstand und kniete und »Amen« zu endlosen Gebeten murmelte und daß Ellis ihn leise anstieß und hinter seinem Gesangbuch Blasphemien flüsterte. Aber er war zu glücklich, um seine Gedanken zu sammeln. Die Hölle gab Eurydike frei. Das gelbe Licht strömte durch die offene Tür herein und vergoldete den breiten Rücken von Mr. Macgregors Seidenmantel. Elizabeth, auf der anderen Seite des schmalen Gangs, war Flory so nahe, daß er jedes Ra scheln ihres Kleides hören und, wie ihm schien, die Wärme ihres Körpers spüren konnte, dennoch schaute er sie nicht ein einziges Mal an, aus Furcht, daß die anderen es bemerken könnten. Das Harmonium trillerte bronchitisch, während Mrs. Lackersteen sich ab mühte, mit dem einzigen funktionierenden Pedal genügend Luft hineinzupumpen. Der Gesang war ein seltsames, holpriges Geräusch ein inbrünstiges Brummen von Mr. Macgregor, eine Art verschämtes Murmeln von den anderen Europäern, und von hinten ein lautes, wor tloses Muhen, da die karenischen Christen die Melodie der Lieder, nicht aber die Worte kannten.
Sie knieten wieder nieder. »Noch mehr von den verdammten Knieübungen«, flüsterte Ellis. Die Luft verdunkelte sich, und man hörte ein leichtes Regenprasseln auf dem Dach; draußen rauschten die Bäume, und eine Wolke von gelben Blättern wirbelte am Fenster vorbei. Flory beobachtete sie durch die Ritzen seiner Finger. Vor zwanzig Jahren, an Wintersonntagen in seiner Bank in der Pfarrkirche daheim, pflegte er die gelben Blätter zu beobachten, genau wie in diesem Augenblick, wie sie gegen den bleigrauen Himmel getrieben wurden und flatterten. War es nicht möglich, jetzt, ganz von vorne anzufangen, so als hätten diese schmutzigen Jahre ihn nie berührt? Durch seine Finger blickte er rasch zu Elizabeth hinüber, die mit gebeugtem Kopf und das Gesicht in ihren jugendlichen, gesprenkelten Händen versteckt, dakniete. Wenn sie verheiratet waren, wenn sie verheiratet waren! Wie sie sich dann in diesem fremden und doch liebenswürd igen Land zusammen amüsieren würden! Er sah Elizabeth in seinem Lager, wie sie ihn begrüßte, wenn er müde von der Arbeit heimkehrte, und Ko S’la mit einer Flasche Bier vom Zelt wegeilen, er sah sie im Wald mit ihm spazieren, die Hornvögel in den heiligen Feigenbäumen beobachtend und unbekannte Blumen pflückend, und im sumpfigen Weidegrund durch den Kaltwetter- Nebel hinter Schnepfen und Krickenten herstapfen. Er sah sein Heim, wie sie es neu einrichten würde. Er sah seinen Salon, nicht länger schlampig und Junggesellenhaft, mit neuen Möbeln aus Rangun und einer
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