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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
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bezahlt zu haben, die er ihnen schuldet. Dem einen für Heu, dem anderen für Getreide. Mich geht das nichts an.«
    Aus der Ferne kam das Tuten des Zuges. Er wälzte sich um die Kurve, wie eine Raupe mit schwarzem Hintern, die beim Kriechen über die Schultern blickt, und verschwand. Die nassen weißen Hosen des Stationsvorstehers klatschten ihm hoffnungslos um die Beine. Ob Verrall den Zug hatte zu früh abfahren lassen, um Elizabeth oder um den Gras- Wallahs zu entkommen, war eine interessante Frage, die nie geklärt wurde.
    Sie begaben sich zurück zur Straße und kämpften sich dann in einem solchen Wind den Hügel hinauf, daß sie manchmal mehrere Schritte rückwärts getrieben wurden. Als sie die Veranda erreichten, waren sie ganz außer Atem. Die Dienstboten nahmen ihre triefenden Regenmäntel, und Elizabeth schüttelte einen Teil des Wassers von ihrem Haar. Mrs. Lackersteen unterbrach zum ersten Mal ihr Schweigen:
    »Also: Eine solche Ungezogenheit - eine einfach abscheuliche Elizabeth sah blaß und kränklich aus, trotz des Regens und
    des Windes, die ihr ins Gesicht peitschten. Aber sie würde nichts verraten.
    »Ich finde, er hätte uns auf Wiedersehen sagen können«, meinte sie kühl.
    »Auf mein Wort, meine Liebe, den bist du gründlich los! ... Wie ich von Anfang an sagte, ein äußerst ekelhafter junger Mann!«
    Etwas später, als sie sich zum Frühstück setzten, nachdem sie gebadet und trockene Kleider angezogen hatten und sich besser fühlten, bemerkte sie:
    »Warte mal, was ist heute für ein Tag?«
    »Samstag, Tante.«
    »Ah, Samstag. Dann wird der liebe Padre heute abend eintreffen. Wie viele werden wir denn morgen am Gottesdienst sein? Ja, ich glaube wir werden alle da sein! Wie schön! Mr. Flory wird auch hier sein. Ich glaube er sagte, daß er morgen aus dem Dschungel zurückkehrt.« Sie fügte beinahe liebevoll hinzu: » Lieber Mr. Flory!«
    XXIV
    Es war fast sechs Uhr abends, und die alberne Glocke im sechs Fuß hohen Zinnturm der Kirche machte klirrklirr, klirrklirr!, während der alte Mattu drinnen am Seil zog. Die Strahlen der untergehenden Sonne, gebrochen durch f erne Regenfälle, überfluteten den Platz mit einem wunderbaren, düsterroten Licht. Es hatte früher am Tag geregnet und würde wieder regnen. Die christliche Gemeinde von Kyauktada, fünfzehn an der Zahl, versammelte sich bei der Kirchentür für den Abendgottesdienst. Flory war schon da, und Mr. Macgregor, mit grauem Topi und allem, und Mr. Francis und Mr. Samuel, in frischgewaschenen Drillichanzügen herumhüpfend - denn der Gottesdienst, der alle sechs Wochen stattfand, war das große gesellschaftliche Ereignis i hres Lebens. Der Padre, ein hochgewachsener Mann mit grauem Haar und einem vornehmen, blassen Gesicht, der einen Kneifer trug, stand auf den Stufen der Kirche in seiner Soutane und seinem Chorrock, die er in Mr. Macgregors Haus angezogen hatte. Er lächelte in einer liebenswürdigen, aber ziemlich hilflosen Art den vier rosawangigen karenischen Christen zu, die an ihn herangetreten waren, um sich vorzustellen, denn er sprach kein Wort ihrer Sprache und sie keines von seiner. Da war ein weiterer orientalischer Christ, ein trauriger dunkler Inder unbestimmter Herkunft, der demütig im Hintergrund stand. Er wohnte den Gottesdiensten immer bei, aber keiner wußte, wer er war oder warum er ein Christ war. Zweifellos war er gefangengenommen und in früher Kindheit von den Missionaren getauft worden, denn Inder, die als Erwachsene bekehrt werden, fallen fast immer ab.
    Flory konnte sehen, wie Elizabeth, lilafarben gekleidet, mit ihrer Tante und ihrem Onkel den Hügel hinunterkam. Er hatte sie an diesem Morgen im Club gesehen - sie hatten bloß eine Minute für sich allein gehabt, bevor die anderen hereinkamen. Er hatte ihr nur eine Frage gestellt.
    »Ist Verrall gegangen - für immer?«
    »Ja.«
    Es war nicht nötig gewesen, mehr zu sagen. Er hatte sie einfach an den Armen gefaßt und sie an sich gezogen. Sie kam bereitwillig, ja sogar gern - dort im hellen Tageslicht, das unbarmherzig gegenüber seinem entstellten Gesicht war. Einen Augenblick lang hatte sie sich fast wie ein Kind an ihn geklammert. Es war, als habe er sie vor etwas gerettet oder beschützt. Er hob ihr Gesicht, um sie zu küssen, und entdeckte mit Erstaunen, daß sie weinte. Sie hatten dann keine Zeit gehabt zu reden, nicht einmal, um zu sagen: »Willst du mich heiraten?« Das machte nichts, nach dem Gottesdienst würden sie genug Zeit haben.

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