Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
Schüssel von rosaroten Bobaumzweigen wie Rosenknospen auf dem Tisch, und Büchern und Aquarellen und einem schwarzen Klavier. Vor allem das Klavier! Seine Gedanken verweilten beim Klavier - Symbol, vielleicht weil er selber unmusikalisch war, für ein kultiviertes und gesetztes Leben. Er war für immer vom Unterleben des letzten Jahrzehnts erlöst - von all den Ausschweifungen, den Lügen, dem Schmerz des Exils und der Einsamkeit, von dem Umgang mit Huren und Geldverleihern und Pukkasahibs.
    Der Geistliche schritt zum schmalen Lesepult aus Holz, das auch als Kanzel diente, streifte das Band von einer Rolle Predigtpapier ab, hustete und verlas einen Text. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    »Mach’s kurz, um Himmels willen«, murmelte Ellis. Flory bemerkte nicht, wie viele Minuten vergingen. Die
    Worte der Predigt flossen friedlich durch seinen Kopf, ein undeutliches plapperndes Geräusch, beinahe nicht zu hören. Wenn sie verheiratet waren, dachte er immer noch, wenn sie verheiratet waren Nanu! Was war denn los?
    Der Geistliche hatte in der Mitte eines Wortes abgebrochen. Er hatte seinen Kneifer abgenommen und drohte damit mit einer bekümmerten Miene jemandem im Eingang. Ein fürchterliche s, rauhes Gekreische ertönte.
    »Pikesan paylike! Pikesan paylike!"
    Alle schreckten von ihren Sitzen hoch und drehten sich um. Es war Ma Hla May. Als sie sich umdrehten, trat sie in die Kirche ein und schob den alten Mattu gewaltsam beiseite. Sie drohte Flory mit der Faust.
    »Pikesan paylike! Pikesan paylike! Ja, das ist der, den ich meine - Flory, Flory! (Sie sprach es Porley aus.) Der, der dort vorne sitzt, mit den schwarzen Haaren! Dreh dich um und sieh mich an, du Feigling! Wo ist das Geld, das du mir versprochen hast?«
    Sie kreischte wie eine Wahnsinnige. Die Leute gafften sie an, zu erstaunt, um sich zu bewegen oder zu sprechen. Ihr Gesicht war grau vor Puder, ihre fettigen Haare purzelten herunter, ihr Longyi war unten ausgefranst, sie sah aus wie eine He xe vom Bazar. Florys Eingeweide schienen sich in Eis verwandelt zu haben. O Gott, Gott! Mußten sie wissen - mußte Elizabeth wissen - daß das die Frau war, die seine Geliebte gewesen war? Aber es gab keine Hoffnung, nicht die geringste Spur einer Hoffnung, eines Irrtums. Sie hatte seinen Namen immer wieder geschrien. Flo wand sich unter der Bank hervor, als er die vertraute Stimme hörte, lief den Gang hinunter und wedelte Ma Hla May mit dem Schwanz an. Die niederträchtige Frau schrie einen ausführlichen Bericht darüber, was Flory ihr angetan hatte.
    »Schaut mich an, ihr weißen Männer, und auch ihr Frauen, schaut mich an! Seht, wie er mich ruiniert hat! Seht diese Lumpen, die ich trage! Und er sitzt da, der Lügner, der Feigling, und tut so, als ob er mich nicht sähe! Er würde mich an seinem Tor verhungern lassen wie einen Pariahund. Ha, aber ich werde Schande über dich bringen! Dreh dich um und schau mich an! Schau diesen Körper an, den du tausendmal geküßt hast - schau - «
    Sie begann sogar ihre Kleider aufzureißen - die letzte Beleidigung einer burmanischen Frau von niedriger Geburt. Das Harmonium quiekte, als Mrs. Lackersteen eine krampfhafte Bewegung machte. Die Leute hatten endlich ihre Fassung wiedergewonnen und begannen sich zu rühren. Der Geistliche, der er folglos geblökt hatte, fand seine Stimme wieder. »Schafft diese Frau raus!« sagte er scharf.
    Florys Gesicht war leichenblaß. Nach dem ersten Augenblick hatte er sein Gesicht von der Türe abgewandt und seine Zähne zusammengebissen, verzweifelt darum bemüht, unbeteiligt auszusehen. Aber es war nutzlos, völlig nutzlos. Sein Gesicht war so gelb wie Knochen, und der Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Francis und Samuel vollbrachten vielleicht die erste nützliche Tat ihres Lebens, indem sie plötzlich von ihrer Bank aufsprangen, Ma Hla May an den Armen packten und sie hinausbeförderten, immer noch kreischend.
    Es schien sehr still in der Kirche zu sein, als sie sie endlich außer Hörweite geschleppt hatten. Die Szene war so heftig gewesen, so erbärmlich, daß sie alle aus der Fassung gebracht hatte. Selbst Ellis sah angewidert aus. Flory konnte weder sprechen noch sich rühren. Er saß da und starrte unverwandt den Altar an, sein Gesicht war starr und so blutleer, daß das Muttermal wie ein Streifen blauer Farbe darauf zu leuchten schien. Elizabeth sah flüchtig von der anderen Seite des Gangs zu ihm herüber, und ihr wurde fast übel von ihrem

Weitere Kostenlose Bücher