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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
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den Zauber stärker - das war ihr fester Glaube. Sie begann ihn zu quä len, er solle wieder von vorn anfangen. Sie legte die Zigarette weg und legte die Arme um ihn, versuchte ihn zu sich umzudrehen und sein abgewandtes Gesicht zu küssen, während sie ihm Vorwürfe wegen seiner Kälte machte.
    »Geh weg, geh weg!« sagte er ärgerlich. »Sieh in der Tasche meiner Shorts nach. Da ist Geld drin. Nimm dir fünf Rupien und geh.«
    Ma Hla May fand den Fünfrupienschein und stopfte ihn in den Brustausschnitt ihres Ingyis, aber sie ging immer noch nicht. Sie machte sich um das Bett herum zu scha ffen und belästigte Flory, bis er schließlich böse wurde und aufsprang.
    »Mach daß du hier rauskommst! Ich hab dir gesagt, du sollst gehen. Ich will dich nicht hier drin haben, wenn ich mit dir fertig bin.«
    »Sehr nett, wie du mit mir sprichst! Du behandelst mich, als wäre ich eine Prostituierte.«
    »Bist du ja auch. Raus mit dir«, sagte er, während er sie bei den Schultern aus dem Zimmer schob. Ihre Sandalen schleuderte er ihr hinterher. Ihr Zusammensein endete häufig auf diese Weise. Flory stand gähnend mitte n im Zimmer. Sollte er doch zum Tennis in den Club gehen? Nein, das bedeutete Rasieren, und er konnte die Anstrengung nicht auf sich nehmen, ehe er nicht ein paar Drinks intus hatte. Er befühlte sein stoppeliges Kinn und schlakste hinüber zum Spiegel, um es zu mustern, aber dann wandte er sich ab. Er wollte das gelbe, eingefallene Gesicht, das ihn aus dem Spiegel anblickte, nicht sehen. Mehrere Minuten lang stand er mit schlaffen Gliedern da und sah dem Tuktoo zu, der sich über den Bücherregalen an einen Falter heranpirschte. Die Zigarette, die Ma Hla May abgelegt hatte, brannte mit einem ätzenden Geruch ab, das Papier färbte sich braun. Flory nahm ein Buch vom Regal, schlug es auf und warf es dann mit Abscheu wieder weg. Er hatte nicht einmal die Energie zu lesen. Ach Gott, Gott, was sollte er mit dem Rest dieses verdammten Abends anfangen?
    Flo kam hereingewatschelt, wedelte mit dem Schwanz und bettelte um einen Spaziergang. Flory ging mürrisch in das kleine Badezimmer mit dem Steinfußboden, das gleich neben dem Badezimmer lag, bespritzte sich mit lauwarmem Wasser und zog Hemd und Shorts an. Er mußte sich ein bißchen Bewegung machen, bevor die Sonne unterging. In Indien ist es gewissermaßen etwas Böses, einen Tag vergehen zu lassen, ohne einmal so richtig geschwitzt zu haben. Man empfindet das als tiefere Sünde als tausend unzüchtige Handlungen. Am dunklen Spätnachmittag, nach einem völlig müßigen Tag, steigert sich die Langeweile zu einem wahnsinnigen, selbstmörderischen Gipfel. Arbeit, Gebet, Bücher, Trinken, Plaudern - alles ist dagegen machtlos; man kann es nur durch die Poren ausschwitzen.
    Flory ging hinaus und folgte der Straße, die bergauf in den Dschungel führte. Zuerst war es niedriger Busch mit dichtem, verkümmertem Gestrüpp, und die einzigen Bäume wa ren halbwilde Mangobäume, die pflaumengroße, terpentinhaltige Früchte trugen. Dann führte die Straße durch höhere Bäume. Der Dschungel war zu dieser Jahreszeit ausgetrocknet und leblos. Die Bäume säumten die Straße in dichten, verstaubten Reihen mit matt olivgrünem Laub. Keine Vögel waren zu sehen außer ein paar struppigen braunen Geschöpfen, wie ehrlose Drosseln, die plump unter den Büschen umherhüpften; in der Ferne schrie ein Vogel › Ah haha! Ah ha ha!‹ - ein einsamer, hohler Ton wie das Echo eines Gelächters. Es roch giftig nach zerquetschten Blättern, ein bißchen wie Efeu. Es war noch immer heiß, obwohl die Sonne etwas von ihrer weißen Grelle verloren hatte und schräge gelbe Strahlen warf.
    Nach drei Kilometern endete der Weg an der Furt eines seichten Flusses. Wegen des Wassers war der Dschungel hier grüner, und die Bäume waren höher. Am Flußufer stand ein riesiger, abgestorbener Pyinkado- Baum mit Girlanden von spinnenartigen Orchideen, außerdem ein paar wilde Limonen-Büsche mit wachsartigen weißen Blüten. Sie hatten einen scharfen Geruch wie Bergamotten. Flory war schnell gegangen, und der Schweiß hatte sein Hemd durchnäßt und tröpfelte ihm brennend in die Augen. Er hatte sich in eine bessere Stimmung hineingeschwitzt. Außerdem pflegte der Anblick dieses Flusses ihn zu ermuntern; das Wasser war ganz klar, ein sehr seltener Anblick in einem sumpfigen Land. Er überquerte den Fluß über die Trittsteine, Flo planschte hinterdrein; dann bog er in einen schmalen Pfad ein, der durchs

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