orwell,_george_-_tage_in_burma
Gebüsch führte und den er scho n kannte. Es war eine Fährte, die das Vieh getreten hatte, wenn es zum Trinken an den Fluß ging, und Menschenfüße betraten ihn selten. Er führte fünfzig Meter flußaufwärts zu einem Teich. Hier wuchs ein Heiliger Bobaum, ein zwei Meter dicker abgestützter Stamm, der aus unzähligen Holzsträhnen gewebt war wie ein von einem Riesen gedrehtes hölzernes Kabel. Die Wurzeln dieses Baumes bildeten eine natürliche Höhle, in der das klare, grünliche Wasser gurgelte. Oben und ringsum wehrte das dichte Laubwerk dem Licht und machte den Ort zu einer von Laub eingeschlossenen grünen Grotte.
Flory warf die Kleider ab und stieg ins Wasser. Es war eine Nuance kühler als die Luft und reichte ihm bis zum Hals, wenn er sich setzte. Schwärme von silbrigen Mahseer, nicht größer als Sardinen, schnupperten und knabberten an seinem Körper. Flo hatte sich auch ins Wasser geworfen und schwamm still, wie ein Otter, mit ihren Schwimmfüßen herum. Sie kannte den Teich gut, denn sie gingen oft hierher, wenn Flory in Kyauktada war.
Oben in dem Bobaum erhob sich eine Unruhe und ein blubberndes Geräusch wie von kochenden Töpfen. Eine Schar grüner Tauben saß dort oben und fraß die Beeren. Flory blickte in die große grüne Wölbung des Baumes hinauf und versuchte, die Vögel zu unterscheiden; sie waren unsichtbar, so vollkommen war ihre Farbe dem Laub angepaßt, und doch war der ganze Baum von ihnen belebt und schimmerte, als würde er von Vogelgeistern geschüttelt. Flo legte sich auf die Wurzeln und knurrte zu den unsichtbaren Geschöpfen hinauf. Dann flatterte eine einzelne grüne Taube herunter und ließ sich auf einem tieferen Ast nieder. Sie wußte nicht, daß sie beobachtet wurde. Sie war ein zartes Wesen, kleiner als eine Haustaube, ihr jadegrüner Rücken war glatt wie Samt, und Hals und Brust schillerten in vielen Farben. Ihre Beine waren wie das rosa Wachs, das Zahnärzte verwenden.
Die Taube schaukelte auf dem Zweig vor und zurück, plusterte ihr Brustgefieder auf und legte ihren korallenroten Schnabel darauf. Flory durchfuhr ein stechender Schmerz. Allein, allein, die Bitternis, allein zu sein! So oft war es so, an einsamen Stellen im Wald, daß ihm etwas begegnete - Vogel, Blume, Baum - , das schöner war, als man mit Worten sagen konnte, wäre nur eine Seele dagewesen, mit der man es hätte teilen können. Schönheit ist sinnlos, wenn man sie nicht mit jemandem teilen kann. Gäbe es nur einen Menschen, nur einen, der die Hälfte seiner Einsamkeit trüge. Plötzlich sah die Taube Mann und Hund unter dem Baum, sprang in die Luft und schoß mit knatternden Flügeln fl ink wie eine Pistolenkugel davon. Man sieht lebendige grüne Tauben nicht oft so aus der Nähe. Sie fliegen sehr hoch und nisten in Baumwipfeln und kommen nicht auf die Erde, höchstens um zu trinken. Wenn man eine schießt und sie nicht sofort tötet, klammert sie sich an den Zweig, bis sie stirbt, und erst lange nachdem man das Warten aufgegeben hat und weggegangen ist, fällt sie herunter.
Flory kam aus dem Wasser, zog sich an und ging über den Fluß zurück. Er ging nicht auf der Straße nach Hause, sondern folgte einem Fußpfad südwärts in den Dschungel mit der Absicht, einen Umweg über ein Dorf zu machen, das nicht weit von seinem Haus am Rande des Dschungels lag. Flo tollte im Unterholz hin und her und kläffte manchmal, wenn ihre langen Ohren sich in den Dornen verfingen. Sie hatte einmal hier in der Nähe einen Hasen aufgespürt. Flory ging langsam. Der Rauch seiner Pfeife stieg in stillen Wölkchen gerade nach oben. Er war nach dem Spaziergang und dem klaren Wasser glücklich und mit sich im reinen. Es war jetzt kühler bis auf die Reste von Hitze unter den dickeren Bäumen, und das Licht war sanft. Die Räder von Ochsenkarren quietschten friedlich in der Ferne.
Bald hatten sie im Dschungel den Weg verloren und wanderten durch ein Labyrinth von abgestorbenen Bäumen und verfilztem Gesträuch. Sie gerieten in eine Sackgasse, wo der Pfad durch große, häßliche Pflanzen - wie vergrößerte Aspidistra - versperrt war, deren Blätter in langen, mit Dornen bewaffneten Schnüren endigten. Ein Leuchtkäfer glühte grünlich am Fuße eines Busches; an den dichteren Stellen wurde es dämmrig. Bald hörte man das Quietschen der Karrenräder näher, sie fuhren wohl parallel zu ihrem Weg.
»Heh, say a gyi, say a gyi!« rief Flory und nahm Flo beim Halsband, damit sie nicht weglief.
»Ba lede?« rief der
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