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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fieberanfällen gepflegt. In Ko S’las Augen war Flory, weil er Junggeselle war, noch immer ein Junge; während Ko S’la geheiratet und fünf Kinder gezeugt, noch einmal geheiratet hatte und einer der unbekannten Märtyrer der Bigamie geworden war. Wie alle Diener von Junggesellen war Ko S’la faul und schmutzig, aber Flory sehr ergeben. Er hätte nie zugelassen, daß jemand anders Flory bei Tisch bediente oder sein Gewehr trug oder den Kopf seines Ponys hielt, während er aufstieg. Wenn sie auf dem Marsch zu einem Fluß kamen, trug er Flory auf dem Rücken hinüber. Er neigte dazu, Flory zu bemitleiden, teils weil er fand, daß er kindisch und leicht zu täuschen sei, teils wegen des Muttermals, das für ihn etwas Schreckliches war.
    Ko S’la setzte das Teetablett ganz leise auf den Tisch, dann ging er um das Bett herum und kitzelte Flory an den Zehen. Er wußte aus Erfahrung, daß dies die einzige Art war, Flory zu wecken, ohne ihn in schlechte Laune zu versetzen. Flory wälzte sich herum, fluchte und drückte die Stirn ins Kopfkissen.
    »Es hat vier Uhr geschlagen, heiligster Gott«, sagte Ko S’la. »Ich habe zwei Teetassen gebracht, weil die Frau gesagt hat, daß sie kommen will.«
    Die Frau war Ma Hla May, Florys Mätresse. Ko S’la nannte sie immer die Frau, um seine Mißbilligung zu zeigen - nicht daß er Florys Mätresse mißbilligte, sondern weil er auf Ma Hla Mays Einfluß im Hause eifersüchtig war.
    »Wird der Heilige heute abend Tinnis spielen?« fragte Ko S’la.
    »Nein, es ist zu heiß«, sagte Flory auf englisch. »Ich will nichts essen. Nimm diesen Mist weg und bring mir Whisky.«
    Ko S’la verstand Englisch sehr gut, obwohl er es nicht sprechen konnte. Er brachte eine Flasche Whisky, außerdem Florys Tennisschläger, den er mit bedeutsamer Gebärde gegenüber dem Bett an die Wand lehnte. Tennis war für seine Begriffe für alle Engländer eine geheimnisvolle rituelle Pflicht, und er sah seinen Herrn abends nicht gern müßiggehen.
    Flory stieß Toast und Butter, die Ko S’la gebracht hatte, angeekelt beiseite, aber er goß sich Whisky in eine Tasse Tee und fühlte sich besser, nachdem er ihn getrunken hatte. Er hatte seit Mittag geschlafen, und jetzt taten ihm der Kopf und sämtliche Knochen weh, und im Mund hatte er einen Geschmack wie von verbranntem Papier. Es war Jahre her, daß er eine Mahlzeit genossen hatte. Jedes europäische Essen in Burma ist mehr oder weniger widerlich - das Brot ist ein schwammiges Zeug, das mit Palmentoddy gesäuert ist und wie eine verdorbene Semmel schmeckt, die Butter kommt aus der Dose und ebenso die Milch, wenn es sich nicht um das graue, wässerige Gesöff des Milchmanns handelt. Als Ko S’la hinausging, hörte man drauß en das Scharren von Sandalen, und die hochgeschraubte Stimme eines burmanischen Mädchens sagte: »Ist mein Herr erwacht?«
    »Komm rein«, sagte Flory ziemlich schlechtgelaunt. Ma Hla May kam herein und streifte ihre rotlackierten
    Sandalen an der Tür ab. Sie durfte als besondere Vergünstigung zum Tee kommen, aber nicht zu anderen Mahlzeiten, auch durfte sie ihre Sandalen nicht in Gegenwart ihres Herrn tragen.
    Ma Hla May war eine zwei- bis dreiundzwanzig Jahre alte Frau und vielleicht einen Meter fünfzig groß. Sie war in einen Longyi aus blaßblauem, gesticktem chinesischem Atlas und einen gestärkten weißen Musselin- Ingyi gekleidet, auf dem mehrere goldene Medaillons hingen. Ihr Haar, schwarz wie Ebenholz, war zu einem festen Zylinder aufgerollt und mit Jasminblüte n geschmückt. Ihr zierlicher, gerader, schlanker Körper war so konturlos wie ein in einen Baum geschnitztes Basrelief. Sie war wie eine Puppe mit ihrem stillen, ovalen Gesicht von der Farbe blanken Kupfers und den schmalen Augen; eine ausländische Puppe und doch in grotesker Weise schön. Ein Duft von Sandelholz und Kokosnuß kam mit ihr ins Zimmer.
    Ma Hla May kam zum Bett, setzte sich auf den Bettrand und legte die Arme ziemlich plötzlich um Flory. Mit ihrer flachen Nase roch sie an seiner Wange, so wie es d ie Burmanen tun.
    »Warum hat mein Herr mich heute nachmittag nicht rufen lassen?« fragte sie.
    »Ich habe geschlafen. Es ist zu heiß für so was.« »Du schläfst also lieber allein als mit Ma Hla May? Wie
    häßlich mußt du mich finden! Bin ich häßlich, Herr?« »Geh weg«, sagte er, sie zurückstoßend. »Ich mag dich nicht
    zu dieser Tageszeit.«
    »Dann berühre mich wenigstens mit den Lippen. (Es gibt kein burmanisches Wort für küssen.) Alle

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