Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
hatte. Es war sehr dunkel unter den heiligen Bobäumen der Basarstraße, das Laub verbarg den Viertelmond, aber die Sterne strahlten hier und da in einer Lücke weiß und niedrig wie Lampen an unsichtbaren Drähten. Wechselnde Düfte kamen auf sie zu, erst die unangenehme Süße des Jasmins, dann der kalte Fäulnisgestank nach Dung oder Verwestem aus den Hütten gegenüber von Dr. Veraswamis Bungalow. Etwas weiter weg waren dumpfe Trommeln zu hören.
    Als Flory die Trommeln hörte, fiel ihm ein, daß ein bißchen weiter unten an der Straße, gegenüber von U Po Kyins Haus, ein Pwe aufgeführt wurde; tatsächlich hatte U Po Kyin das Pwe veranstaltet, wenn auch jemand anders es bezahlt hatte. Flory kam ein wagemutiger Gedanke. Er würde Elizabeth zu dem Pwe führen! Es würde ihr gefallen - es mußte ; niemand mit Augen im Kopf konnte einem Pwe-Tanz widerstehen. Wahrscheinlich würde es einen Skandal geben, wenn sie zusammen nach langer Abwesenheit in den Club zurückkamen; Teufel, und wenn schon! Was lag daran! Sie war etwas anderes als diese Narrenherde im Club. Und es würde ein solches Vergnügen sein, zusammen zu dem Pwe zu gehen! In diesem Augenblick steigerte die Musik sich zu einem fürchterlichen Höllenlärm - einem schrillen Quietschen der Pfeifen, einem Geklapper wie von Kastagnetten und dem rauhen Schlagen der Trommeln, und über alle m blechernen Kreischen eine Männerstimme.
    »Was ist das für ein Lärm?« fragte Elizabeth und blieb stehen. »Das klingt genau wie eine Jazzband.«
    »Eingeborenenmusik. Sie haben ein Pwe - das ist so etwas wie ein burmanisches Theaterstück, eine Kreuzung zwische n einem historischen Drama und einer Revue, wenn Sie sich so was vorstellen können. Es wird Sie interessieren, glaube ich. Gleich hinter der Biegung dieser Straße.«
    »Oh«, sagte sie etwas zweifelnd. Sie gingen um die Biegung in grellen Lichtschein. Die ganze Straße war dreißig Meter weit durch die Zuschauer versperrt, die dem Schauspiel zusahen. Im Hintergrund war eine erhöhte Bühne unter summenden Petroleumlampen, davor das kreischende und dröhnende Orchester; auf der Bühne posierten zwei Männer in Kostümen, die Elizabeth an chinesische Pagoden erinnerten, mit Krummschwerten in den Händen. Die ganze Straße war ein Meer von den weißen Musselinröcken der Frauen, rosa Schals, die sie um die Schultern geschlungen hatten, und schwarzen Haarzylindern. Einige lagen ausgestreckt auf ihren Matten und schliefen fest. Ein alter Chinese, ein Tablett mit Erdnüssen in den Händen, bahnte sich seinen Weg durch die Menge mit trauervollem Singsang »Myaype Myaype!«
    »Wenn Sie wollen, können wir ein paar Minuten stehenbleiben und zusehen«, sagte Flory.
    Elizabeth schwindelte fast von dem grellen Licht und dem erschreckenden Lärm des Orchesters, aber am meisten verblüffte sie der Anblick dieser Menschenmenge, die auf der Straße saß wie im Zuschauerraum eines Theaters.
    »Machen sie ihre Aufführungen immer mitten auf der Straße?« fragte sie.
    »In der Regel, ja. Sie schlagen eine primitive Bühne auf, die morgens wieder abgebaut wird. Die Vorstellung dauert die ganze Nacht.«
    »Aber ist es gestattet - daß sie die ganze Straße versperren?« »O ja. Hier gibt es keine Verkehrsregeln. Es gibt keinen
    Verkehr, den man regulieren könnte, wissen Sie.« Das fand sie sehr sonderbar. Mittlerweile hatten sich fast alle
    Zuschauer auf ihren Matten umgedreht, um die ›Ingaleikma‹ anzustarren. In der Mitte der Menge standen ein halbes Dutzend Stühle, auf denen ein paar Angestellte und Beamte saßen. Unter ihnen war U Po Kyin, der sich bemühte, seinen Elefantenkörper umzudrehen und die Europäer zu begrüßen. Als die Musik aufhörte, kam der pockennarbige Ba Taik has tig durch die Menge und machte mit schüchterner Miene eine tiefe Verbeugung vor Flory.
    »Allerheiligster, mein Herr U Po Kyin fragt, ob Sie und die junge weiße Dame nicht kommen und ein paar Minuten unser Pwe ansehen wollen. Er hat Stühle für sie bereitgestellt.«
    »Sie bitten uns, zu kommen und uns hinzusetzen«, sagte Flory zu Elizabeth. »Mögen Sie das? Es ist ganz lustig. Diese beiden Burschen werden gleich abtreten, und dann kommt ein Tanz. Ein paar Minuten - wenn es Sie nicht langweilt?«
    Elizabeth war im Zweifel. Irgendwie erschien es ihr nicht richtig oder sogar ungefährlich, sich unter diese stinkenden Eingeborenen zu begeben. Doch da sie Flory traute, der vermutlich wußte, was sich schickte, ließ sie sich zu den Stühlen

Weitere Kostenlose Bücher