orwell,_george_-_tage_in_burma
führen. Die Burmanen machten Platz auf ihren Matten und starrten ihr schwatzend nach; ihre Schienbeine streiften warme, musselinverhüllte Körper; es roch barbarisch nach Schweiß. U Po Kyin beugte sich zu ihr vor, verbeugte sich, so gut er konnte, und sagte durch die Nase:
»Wollen freundlic hst setzen, Madam! Ich bin höchst geehrt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Guten Abend, Mr. Flory, Sir. Ein höchst unerwartetes Vergnügen. Hätten wir gewußt, daß Sie uns mit Ihrer Gesellschaft beehren würden, hätten wir für Whiskies und andere europäische Erfrischungen gesorgt. Haha!«
Er lachte, und seine betelroten Zähne leuchteten im Lampenschein wie rotes Stanniol. Er war so riesig und so häßlich, daß Elizabeth unwillkürlich vor ihm zurückscheute. Ein schlanker Jüngling in einem purpurroten Longyi verbeugte sich vor ihr und reichte ihr ein Tablett mit zwei Gläsern geeistem gelbem Sorbet. U Po Kyin klatschte scharf in die Hände und rief einem Jungen neben ihm zu : › Hey Haung Galay!‹ Er gab auf burmanisch einige Anweisungen, und der Junge drängte sich zum Rand der Bühne durch.
»Er sagt ihnen, sie sollen Ihnen zu Ehren ihre beste Tänzerin auftreten lassen«, sagte Flory. »Sehen Sie, da kommt sie.«
Ein Mädchen, das rauchend im Hintergrund der Bühne gehockt hatte, trat vor ins Lampenlicht. Sie war sehr jung, schmalschultrig, brustlos und in einen blaßblauen Atlas- longyi gekleidet, der ihre Füße bedeckte. Die Röcke ihres Longyi bauschten sich reifrockartig über ihren Hüften entsprechend der alten burmesischen Tracht. Sie waren wie die Blütenblätter einer nach unten geöffneten Blume. Sie warf lässig ihre Zigarre einem der Männer im Orchester zu, und dann schüttelte sie den einen schlanken, ausgestreckten Arm, als wollte sie die Muskeln lockern.
Das Orchester brach plötzlich in lautes Getöse aus. Es waren Pfeifen, ähnlich wie Dudelsäcke, ein seltsames Instrument, das aus Bambusplatten bestand, auf die ein Mann mit einem Hämmerchen schlug, und in der Mitte stand ein Mann, umgeben von zwölf großen Trommeln von verschiedener Größe. Er langte blitzschnell von der einen zur anderen und schlug sie mit dem Handballen. Gleich darauf begann das Mädchen zu tanzen. Aber zuerst war es kein Tanz, es war ein rhythmisches Nicken, Posieren und Verdrehen der Ellbogen, wie die Bewegungen einer Gliederpuppe auf einem altmodischen Karussell. Wie ihr Hals und ihre Ellbogen kreisten, war genau die Bewegungen einer Gliederpuppe, und doch unglaublich geschmeidig. Ihre Hände, die sich mit geschlossenen Fingern wie Schlangenköpfe drehten, konnte sie zurückbiegen, bis sie fast auf ihren Unterarmen l agen. Allmählich wurden ihre Bewegungen schneller. Sie begann hin und her zu springen, sich in einer Art Knicks zu Boden zu werfen und mit außerordentlicher Behendigkeit wieder aufzuspringen trotz des langen Longyi, der ihre Füße fesselte. Dann tanzte sie in einer grotesken Haltung, als säße sie mit gebeugten Knien und vorgelehntem Körper, die Arme ausgestreckt und sich schlängelnd und auch den Kopf im Rhythmus der Trommeln bewegend. Die Musik wurde schneller und schneller. Das Mädchen richtete sich zu voller Höhe auf und wirbelte so schnell wie ein Kreisel herum, wobei die Reifröcke ihres Longyi um sie flogen wie die Blütenblätter eines Schneeglöckchens. Dann brach die Musik so abrupt ab, wie sie angefangen hatte, und das Mädchen versank mitten im rauhen Geschrei der Zuschauer nieder in einen Knicks.
Elizabeth sah dem Tanz mit einer Mischung aus Staunen, Langeweile und einem an Entsetzen heranreichenden Gefühl zu. Sie hatte von ihrem Drink genippt und festgestellt, daß er wie Haaröl schmeckte. Auf einer Matt e zu ihren Füßen lagen drei burmanische Mädchen fest im Schlaf, die Köpfe auf demselben Kissen, die kleinen, ovalen Gesichter Seite an Seite wie kleine Kätzchen. Halb übertönt von der Musik, flüsterte Flory Elizabeth kommentierende Worte über den Tanz ins Ohr.
»Ich wußte, daß Sie das interessiert; darum habe ich Sie hierher mitgenommen. Sie haben Bücher gelesen und sind in zivilisierten Städten gewesen, Sie sind nicht so wie wir erbärmlichen Wilden hier. Finden Sie nicht, daß es sich lohnt, so etwas anzuschauen, so verrückt es sein mag? Sehen Sie nur diese Bewegungen des Mädchens - diese seltsame, vorgebeugte Pose wie eine Marionette, und wie sie ihre Arme vom Ellbogen aus verdreht wie eine Kobra, die sich zum Zuschlagen aufrichtet. Es ist grotesk, es ist so
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