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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
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führte, war schändlich, erniedrigend, böse. Sie fürchtete das Dasein einer alten Jungfer, aber sie hätte es tausendmal lieber ihr Leben lang ertragen, als solch einen Mann zu heiraten.
    Als Elizabeth fast zwei Jahre in Paris war, starb ihre Mutter ganz plötzlich an Leichenvergiftung. Es war ein Wunder, daß sie nicht früher daran gestorben war. Elizabeth war nichts geblieben als etwas weniger als hundert Pfund. Onkel und Tante telegrafierten sofort aus Burma: sie möchte kommen und bei ihnen bleiben, und ein Brief würde folgen.
    Mrs. Lackersteen hatte eine Weile über diesen Brief nachgegrübelt, den Federhalter zwischen den Lippen, den Blick auf die Seite mit ihrem zarten, dreieckigen Gesicht gesenkt, wie eine nachdenkliche Schlange.
    »Ich nehme an, wir müssen sie hier auf jeden Fall ein Jahr lang behalten. Wie lästig! Aber im allgemeinen heiraten sie innerhalb eines Jahres, wenn sie einigermaßen aussehen. Was soll ich dem Mädchen schreiben, Tom?«
    »Schreiben? Ach, schreib einfach, sie wird hier verdammt viel leichter einen Ehemann finden als zu Hause. Etwas der Art.«
    »Mein lieber Tom! Was für unmögliche Sachen du sags t!« Mrs. Lacksteen schrieb:
    »Natürlich ist dies hier eine sehr kleine Station, und wir sind oft und lange im Dschungel. Ich fürchte, Du wirst es schrecklich langweilig finden nach den Vergnügungen von Paris. Aber im Grunde haben diese kleinen Stationen in mancher Hinsicht ihre Vorteile für ein junges Mädchen. Sie wird sich in unserer Gesellschaft hier ganz wie eine Königin fühlen. Die unverheirateten Männer sind so einsam, daß sie die Gesellschaft eines Mädchens hervorragend zu schätzen wissen«, usw. usw. usw.
    Elizabeth gab dreißig Pfund für Sommerkleidung aus und segelte unverzüglich ab. Das Schiff durchpflügte, von Delphinen begleitet, das Mittelmeer und den Kanal und gelangte in eine grell emailblaue See, dann hinaus auf die grüne Wüste des Indischen Ozea ns, wo Scharen von fliegenden Fischen in Schrecken vor dem herannahenden Schiffsrumpf wegglitten. Nachts phosphoreszierte das Wasser, und die Bugwelle war wie ein sich bewegender Pfeil aus grünem Feuer. Elizabeth ›schwärmte‹ für das Leben an Bord des Schiffes. Sie schwärmte für das abendliche Tanzen an Deck, für die Cocktails, zu denen alle Männer an Bord sie eifrig einluden, die Deckspiele, deren sie ungefähr zur selben Zeit wie die anderen junge Leute müde wurde. Es bedeutete ihr nichts, daß der Tod ihrer Mutter erst zwei Monate her war. Ihr hatte nie viel an ihrer Mutter gelegen, und überdies wußten die Leute hier nichts von ihren Angelegenheiten. Es war so wunderschön, nach diesen zwei reizlosen Jahren wieder die Luft des Reichtums zu atmen. Nicht daß die meisten Passagiere reich waren; aber an Bord eines Schiffes benehmen sich alle so, als wären sie reich. Sie würde Indien herrlich finden, das wußte sie. Sie hatte sich nach den Gesprächen mit anderen Passagieren ein ziemlich genaues Bild von Indien gemac ht; sie hatte sogar einige der notwendigsten hindostanischen Redewendungen gelernt wie › idher ao‹, ›jaldi‹, ›sahiblog‹ usw. Schon im voraus genoß sie die angenehme Atmosphäre der Clubs, mit dem leichten Flattern der Punkhas und dem ehrfürchtigen Selam der barfüßigen Boys mit weißen Turbanen; und Plätze mit bronzebraunen Engländern mit kleinen Stutzbärten, die hin und her galoppierten und Polobälle schlugen. Der indische Lebensstil war fast wie echter Reichtum.
    Durch glasig grünes Wasser, in dem Schildkröten und schwarze Schlangen schwammen und sich sonnten, segelten sie nach Colombo. Eine Flotte von Sampans kam dem Schiff entgegengerast, gesteuert von kohlschwarzen Männern mit Lippen, die von Betelsaft röter waren als Blut. Sie schrien und drängten sich um die Gangway, während die Passagiere ausstiegen. Als Elizabeth und ihre Freunde herunterkamen, überschütteten sie zwei Sampanburschen, den Bug zur Gangway gerichtet, mit flehendem Geschrei.
    »Fahren Sie nicht mit ihm, Missie! Nicht mit ihm! Schlechter böser Mann ist er, nichts für fahren Missie!«
    »Hören Sie nicht seine Lügen, Missie! Häßlicher gemeiner Kerl! Häßliche, gemeine Tricks macht er. Häßliche Eingeborenen-Tricks !«
    »Haha! Er ist selber nicht Eingeborener! Oh, nein! Er europäischer Mann mit gelber Haut, Missie! Haha!«
    »Hört auf mit eurem Geschwätz, ihr zwei, oder einer von euch kriegt einen Tritt«, sagte der Mann von Elizabeths Freundin - er war Pflanzer. Sie

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