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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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auf seinen Jagd-und-Sammel-Ausflügen oft genug feststellen musste, dass andere vor ihm da gewesen waren und nur noch Glasscherben übrig gelassen hatten. Es müssen Ausschweifungen aller erdenklichen Art stattgefunden haben, bis es schließlich niemanden mehr gab, der dazu noch in der Lage gewesen wäre.
    Unten auf dem Boden ist es stockfinster. Eine Taschenlampe wäre jetzt praktisch, eine zum Aufziehen. Er nimmt sich vor, danach zu suchen. Er tastet und stolpert in die richtige Richtung, sucht den Boden nach dem Schimmern der bösartigen weißen Landkrebse ab, die nach Einbruch der Dunkelheit aus ihren Erdlöchern kommen und überall rumkriechen – diese Dinger können einen ordentlich zwicken –, und nach einem kurzen Umweg durch ein Gebüsch hat er sein Betonversteck ausfindig gemacht: Er prallt mit einer Zehe dagegen. Er verkneift sich das Fluchen. Wer weiß, wer sonst noch alles in der Nacht herumschleicht. Er stemmt eine Platte zur Seite, tastet drinnen herum, fischt die kleine Flasche Scotch heraus.
    Den Whisky hat er sich aufgespart, hat lange dem Drang widerstanden, ihn in sich hineinzuschütten, und ihn als eine Art Amulett bewahrt – solange er die Flasche im Versteck wusste, war es leichter, die Zeit zu überstehen. Damit wird es jetzt wohl vorbei sein. Er ist sicher, dass er auch die allerletzte mögliche Lagerstätte im Radius eines halben Tagesmarsches von seinem Baum erforscht hat. Aber jetzt ist ihm alles egal. Wozu das Zeug horten? Worauf warten? Was ist denn sein Leben überhaupt wert, und wen interessiert es? Aus, kleines Licht.
    Er hat seinen evolutionären Zweck erfüllt, wie der verfluchte Crake vorhergesehen hat. Er hat die Kinder gerettet.
    »Scheiß-Crake!«, brüllt er unwillkürlich.
    In der einen Hand die Flasche, tastet er sich mit der anderen zu seinem Baum zurück. Um hinaufzuklettern, braucht er beide Hände und knotet deshalb die Flasche fest in sein Leintuch ein. Oben angelangt, setzt er sich auf die Plattform, schüttet Scotch in sich hinein und heult zu den Sternen hinauf – Aauuuh! Aauuuh! –, bis ihm von unten, ganz in der Nähe des Baums, ein Chor antwortet, der ihn aufschreckt.
    Sind das funkelnde Augen? Er kann das Hecheln hören.
    »Hallo, meine pelzigen Kumpel.’«, ruft er hinunter. »Wer will der beste Freund des Menschen sein?« Ein flehentliches Winseln ist die Antwort. Das ist das Tückische an den Hunölfen: Sie sehen aus wie Hunde, sie benehmen sich wie Hunde, spitzen die Ohren, springen spielerisch herum wie die Welpen, wedeln mit dem Schwanz. Sie schleimen sich ein, und dann fallen sie einen an. Es hat nicht viel gebraucht, um fünfzigtausend Jahre Wechselwirkung zwischen Mensch und Hund zurückzudrehen. Die echten Hunde hatten nie eine Chance gegen sie: Die Hunölfe brachten alle um, die noch Spuren der alten Domestizierung aufwiesen, und fraßen sie auf. Er hat einmal beobachtet, wie sich ein Hunolf sehr freundlich einem kläffenden Pekinesen näherte, seinen Hintern beroch und ihn gleich darauf an der Gurgel packte, beutelte wie einen Mop und mit dem schlaffen Körper davontrabte.
    Eine Zeit lang strichen noch ein paar kummervolle Haustiere herum, hinkend und abgemagert bis auf die Knochen, das Fell filzig und stumpf, und bettelten darum, von einem Menschen aufgenommen zu werden, von irgendeinem Menschen. Crakes Kinder hatten ihren Vorstellungen nicht entsprochen – für Hundenasen rochen sie wahrscheinlich abartig, wie wandelndes Obst, vor allem in der Dämmerung, wenn das Insekten abwehrende Zitrusöl aktiv wurde; jedenfalls hatten die Craker von sich aus kein Interesse an Haustieren als solchen gezeigt, und deshalb konzentrierten sich die Streuner auf Schneemensch. Ein paar Mal war er nahe daran gewesen, nachzugeben, weil er ihrem einschmeichelnden Schwänzeln, ihrem Mitleid erregenden Winseln kaum widerstehen konnte, aber er hätte sie unmöglich durchfüttern können; außerdem hatte er keine Verwendung für sie.
    »Friss oder stirb«, sagte er zu ihnen. »Tut mir Leid, alter Kumpel.« Er vertrieb sie mit Steinwürfen und kam sich vor wie ein Arschloch. In der letzten Zeit sind keine mehr aufgetaucht.
    Was für ein Narr er war. Eine Verschwendung: Er hätte sie essen sollen. Oder er hätte einen zu sich nehmen und zur Kaninchenjagd abrichten können. Oder als seinen Beschützer. Oder als sonst irgendwas.
    Hunölfe können nicht auf Bäume klettern, das ist immerhin etwas.
    Aber wenn sie erst zahlreich genug sind und zu aufdringlich, wird ihm nichts

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