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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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manchmal hatte sie selbst Lust auf hässliche Wörter, wie sie sagte, weil es ihn schockierte. Sie hatte einen großen Vorrat an hässlichen Wörtern, wenn sie erst einmal in Fahrt war.
    »Zerbrich dir nicht so viel den Kopf, Jimmy«, fügte sie sanfter hinzu.
    »Das ist alles lange her.« Häufig benahm sie sich so, als wollte sie ihn beschützen, vor ihrem eigenen Bild, ihrem vergangenen Ich. Sie zog es vor, ihm nur die helle Seite ihres Wesens zuzukehren. Sie glänzte gern.

    Onkel En war also im Kanal gelandet. Er hatte Pech gehabt. Vielleicht hatte er nicht die richtigen Leute geschmiert oder hatte sie nicht genügend geschmiert. Oder jemand hatte ihm sein Geschäft abkaufen wollen und einen zu geringen Preis geboten, den er nicht akzeptiert hatte. Oder seine eigenen Leute hatten ihn verraten. Es gab viele Möglichkeiten. Vielleicht war es auch gar keine vorsätzliche Tat, sondern nur ein Zufall, ein wahlloser Totschlag, ein Raubüberfall. Onkel En war sorglos gewesen, er war ganz allein ausgegangen. Dabei war er kein sorgloser Mann.
    »Ich habe geweint, als ich das hörte«, sagte Oryx. »Armer Onkel En.«
    »Warum verteidigst du ihn?«, fragte Jimmy. »Er war Ungeziefer, eine Kakerlake.«
    »Er mochte mich.«
    »Er mochte das Geld!«
    »Natürlich, Jimmy«, sagte Oryx. »Das mag jeder. Aber er hätte mir viel schlimmere Dinge antun können und hat es nicht getan. Ich habe geweint, als ich von seinem Tod hörte. Ich habe mir die Augen ausgeweint.«
    »Was für schlimmere Dinge? Was für viel schlimmere Dinge?«
    »Jimmy, du machst dir zu viel Sorgen.«

    Die Kinder wurden aus dem Zimmer mit den grauen Matratzen gescheucht, und Oryx sah es nie wieder. Sie sah die meisten anderen Kinder nie wieder. Sie wurden aufgeteilt, das eine hierhin, das andere dorthin geschickt. Oryx wurde an einen Mann verkauft, der Filme drehte. Sie war die Einzige, die mit dem Filmemacher ging. Er sagte, sie sei ein hübsches kleines Mädchen, und fragte, wie alt sie sei, aber darauf konnte sie keine Antwort geben. Er fragte, ob sie gern in einem Film mitspielen wollte. Sie hatte nie einen Film gesehen und wusste nicht, ob es ihr gefallen würde oder nicht; aber es klang wie ein besonders verlockendes Angebot, und deshalb sagte sie Ja. Inzwischen wusste sie ziemlich genau, wann ein Ja von ihr erwartet wurde.
    Der Mann nahm sie in einem Auto mit, zusammen mit anderen Mädchen, drei oder vier, Mädchen, die sie nicht kannte. Sie übernachteten in einem riesigen Haus, einem Haus für Reiche. Es war umgeben von einer hohen Mauer, die oben mit Glasscherben und Stacheldraht gespickt war; durch ein Tor traten sie ein. Drinnen herrschte ein reicher Geruch.
    »Ein reicher Geruch? Was meinst du damit?«, fragte Jimmy, aber Oryx konnte es nicht sagen. Reich war einfach etwas, was man erkannte.
    Es roch wie in den besseren Hotels, in denen sie gewesen war: nach einer Vielzahl von Speisen, die zubereitet wurden, nach Holzmöbeln, Politur und Seife, alle diese Gerüche waren an der Mischung beteiligt.
    Auch Blumenduft war darunter, von blühenden Bäumen oder Sträuchern in der Nähe. Auf dem Boden lagen Teppiche, aber die Kinder traten nicht darauf; die Teppiche lagen in einem großen Raum, an dessen offener Tür sie vorbeigingen; sie spähten hinein und sahen die Teppiche: blau und rosa und rot, wunderschön.
    Das Zimmer, in dem sie untergebracht wurden, lag neben der Küche.
    Vielleicht war es eine Vorratskammer oder war einmal eine gewesen, denn es roch nach Reis und nach Reissäcken, obwohl zu dem Zeitpunkt kein Reis mehr da war. Sie bekamen zu essen – besseres Essen als sonst, sagte Oryx, mit Hühnerfleisch darin – und wurden angewiesen, mucksmäuschenstill zu sein. Dann wurden sie eingesperrt. Es gab auch Hunde bei dem Haus; man hörte sie draußen im Garten bellen.
    Am nächsten Tag wurden sie auf einen Lastwagen verladen. Sie war mit zwei weiteren Kindern zusammen, beides Mädchen, beide klein wie
    Oryx. Die eine war geradewegs aus dem Dorf gekommen und sehnte sich nach ihrer Familie zurück, sie weinte leise, das Gesicht in den Händen verborgen. Sie wurden auf die Ladefläche des Lastwagens gehoben und eingesperrt, es war dunkel und heiß, sie bekamen großen Durst, und wenn sie pinkeln mussten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als es im Lastwagen zu tun, denn angehalten wurde nicht. Es gab allerdings ein kleines Fenster hoch oben, so dass ein bisschen Luft hereinkam.

    Es dauerte nur ein paar Stunden, aber wegen der Hitze und der

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