Oryx und Crake
Der sagte nun etwas Überraschendes: Wenn der Mann wieder frage, sagte er, solle sie mit ihm ins Hotel gehen. Er werde sie in sein Zimmer mitnehmen wollen, und sie solle ruhig mitgehen. Sie solle alles tun, was der Mann wolle, brauche sich aber keine Sorgen zu machen, denn Onkel En werde aufpassen und sie dann holen. Es werde ihr nichts Schlimmes zustoßen.
»Soll ich eine Melone werden?«, sagte sie. »Ein Melonenhintern?«
Und Onkel En lachte und fragte, woher sie denn diesen Ausdruck habe.
Aber nein, sagte er, das werde nicht passieren.
Am nächsten Tag tauchte der Mann wieder auf und fragte Oryx, ob sie ein bisschen Geld verdienen wolle, viel mehr Geld als mit dem Verkauf von Rosen. Es war ein langer, haariger, weißer Mann mit starkem Akzent, aber sie verstand, was er sagte. Diesmal ging Oryx mit ihm. Er hielt ihre Hand, und sie fuhren mit dem Aufzug – und hier fürchtete sie sich, denn das war eine enge Kammer, deren Türen sich schlossen, und wenn sie sich wieder öffneten, war man anderswo, und davon hatte Onkel En nichts gesagt. Sie spürte ihr Herz klopfen. »Hab keine Angst«, sagte der Mann, der dachte, sie habe Angst vor ihm. Aber es war genau umgekehrt, er hatte Angst vor ihr, denn seine Hand zitterte. Mit einem Schlüssel sperrte er eine Tür auf, sie traten ein, und er schloss die Tür hinter ihnen wieder ab. Sie standen in einem malven- und goldfarbenen Zimmer mit einem riesigen Bett darin, einem Bett für Riesen, und der Mann forderte Oryx auf, ihr Kleid auszuziehen.
Oryx war folgsam und tat, was ihr befohlen wurde. Sie hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was der Mann sonst noch wollen könnte –
die anderen Kinder wussten bereits Bescheid über solche Dinge, besprachen sie freimütig und lachten darüber. Die Leute zahlten eine Menge Geld für Dinge von der Art, wie dieser Mann sie wollte, und es gab bestimmte Orte in der Stadt, die Männer wie er aufsuchen konnten; aber manche wollten nicht dorthin, weil es ihnen zu öffentlich war und sie sich schämten, und zogen es törichterweise vor, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und zu dieser Sorte gehörte auch der haarige Weiße. Oryx wusste also, dass der Mann sich jetzt selbst ausziehen würde, jedenfalls teilweise, und das tat er und schien erfreut, als sie auf seinen Penis starrte, der lang und haarig war wie er selbst, mit einem Knick wie ein kleiner Ellenbogen. Dann kniete er vor ihr nieder, bis er auf ihrer Höhe war, sein Gesicht dicht neben dem ihren.
Wie sah dieses Gesicht aus? Oryx erinnerte sich nicht. Sie erinnerte sich an die Besonderheit des Penis, aber nicht an die Besonderheit seines Gesichts. »Es war wie kein Gesicht«, sagte sie. »Es war ganz weich, wie ein Knödel. Mit einer großen Nase darin, einer Karottennase.« Sie lachte, beide Hände vor dem Mund. »Nicht wie deine Nase, Jimmy«, fügte sie hinzu, für den Fall, dass er es persönlich nahm. »Deine Nase ist sehr schön. Es ist eine süße Nase, glaub mir.«
»Ich tu dir nicht weh«, sagte der Mann. Sein Akzent war so lächerlich, dass Oryx kichern wollte, aber das wäre falsch, das wusste sie. Sie lächelte ihr scheues Lächeln, und der Mann nahm ihre Hand und legte sie auf sich. Er tat es eigentlich ganz sanft, wirkte dabei aber zornig.
Zornig und in Eile.
In diesem Moment stürzte Onkel En plötzlich ins Zimmer. Wie kam das? Offenbar hatte er einen Schlüssel, jemand im Hotel musste ihm einen Schlüssel gegeben haben. Er hob Oryx auf und umarmte sie, nannte sie seinen Goldschatz und schrie den Mann an, der sehr verängstigt schien und hastig in seine Kleider fuhr. Er verfing sich aber in seiner Hose und hüpfte auf einem Fuß herum, während er mit seinem schlechten Akzent etwas zu erklären versuchte, und Oryx hatte Mitleid mit ihm. Dann gab der Mann Onkel En Geld, viel Geld, alles, was er in seiner Brieftasche hatte, und Onkel En verließ das Zimmer mit Oryx in den Armen wie eine kostbare Vase, noch immer murrend und mit finsterer Miene. Aber draußen auf der Straße lachte er und machte sich über den Mann lustig, der in seiner verwickelten Hose herumgehopst war, und zu Oryx sagte er, sie sei ein braves Mädchen, und ob sie dieses Spiel nicht noch öfter spielen wolle?
Es wurde also zu ihrem Spiel. Die Männer taten ihr ein bisschen Leid.
Obwohl Onkel En sagte, sie hätten es verdient und könnten froh sein, dass er nicht die Polizei rief, war ihr nicht ganz wohl bei der Rolle, die sie spielte. Aber gleichzeitig machte es ihr Spaß. Sie
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