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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Er zieht sich weiter ins Innere zurück, durch einen Durchgang und dann noch einen, wühlt in seinem Müllsack nach der Taschenlampe. Er hat sie herausgeholt und fummelt an ihr herum, als ein weiteres kolossales Krachen zu hören ist und die Deckenbeleuchtung angeht. Ein vorher durchgebrannter Solarstromkreis muss wieder zusammengebraten sein.
    Fast wünscht er sich, die Lichter wären nicht angegangen: Da liegen ein paar Bioschutzanzüge in der Ecke, und was immer von ihrem Inhalt übrig geblieben sein mag, ist in schlimmem Zustand. Aktenschränke sind aufgerissen, Papier liegt überall verstreut. Es sieht aus, als wären die Wachposten überwältigt worden. Vielleicht haben sie versucht, Leute davon abzuhalten, durch die Tore zu entkommen; es gab den Versuch, eine Quarantäne aufrechtzuerhalten, soweit er sich erinnert.
    Doch die asozialen Elemente, zu denen zu diesem Zeitpunkt so gut wie alle gehört haben dürften, müssen hier eingefallen sein und die Geheimakten verwüstet haben. Wie optimistisch von denen zu glauben, dass ihnen irgendwas an Papierkram und Speicherplatten noch von Nutzen hätte sein können.
    Er zwingt sich, zu den Anzügen hinüberzugehen; er stößt sie mit seinem Stock an, dreht sie um. Nicht so schlimm, wie er dachte, nicht zu übel riechend, nur ein paar Käfer; alle Weichteile sind weitgehend verschwunden. Aber er kann keine Waffen finden. Die Asozialen müssen sich damit aus dem Staub gemacht haben, so wie er es auch gemacht hätte. So wie er es gemacht hat.
    Er verlässt den innersten Raum, kehrt zurück in den Empfangsbereich, den Teil mit dem Tresen und dem Schreibtisch. Plötzlich ist er sehr müde. Er setzt sich in den ergonomischen Bürosessel. Es ist lange her, dass er auf einem Sessel gesessen hat, und es fühlt sich komisch an. Er beschließt, seine Streichhölzer und Kerzenstummel rauszuholen, für den Fall, dass die Lichter wieder ausgehen; wo er schon dabei ist, nimmt er auch einen Schluck Vogeltränkenwasser zu sich und das zweite Päckchen Cashewnüsse. Von draußen kommt das Heulen des Windes, ein unirdischer Lärm wie von einem ungeheuren Tier, das von der Kette gelassen wurde und tobt. Windstöße dringen herein, durch die Türen, die er geschlossen hat, wirbeln den Staub auf; alles klappert. Seine Hände zittern. Es setzt ihm zu, mehr, als er sich bisher eingestanden hat.
    Was, wenn hier Ratten drin sind? Hier müssen Ratten sein. Was, wenn es eine Überschwemmung gibt? Sie werden mir die Beine hochlaufen!

    Er zieht die Beine auf den Sessel, legt sie über eine der ergonomischen Lehnen, packt sie in das Blumenlaken ein. Keine Chance, irgendein verräterisches Quieken zu hören, das Getöse des Sturms ist zu laut.
    Ein großer Mann muss aufstehen und sich den Herausforderungen seines Lehens stellen, sagt eine Stimme. Wer ist es diesmal? Ein Motivationsdozent von Rejoov TV, irgendein Einfaltspinsel im Anzug.
    Ein Dummschwätzer auf Bestellung. Dies ist mit Sicherheit eine Lektion, die uns die Geschichte lehrt. Je höher die Hürde, umso größer der Sprung. Eine Krise konfrontieren zu müssen, lässt dich in deiner Persönlichkeit wachsen.
    »Ich bin in meiner Persönlichkeit nicht gewachsen, du Kretin«, brüllt Schneemensch. »Schau mich an! Ich bin geschrumpft! Mein Hirn hat die Größe einer Pflaume!«
    Aber er weiß nicht, was tatsächlich zutrifft, größer oder kleiner, denn es ist niemand da, an dem er sich messen könnte. Er stochert im Nebel herum. Keine Vergleichsmöglichkelten.

    Die Lichter gehen aus. Jetzt ist er allein im Dunkeln.
    »Was soll’s?«, sagt er sich. »Du warst auch allein, als es hell war.
    Kein großer Unterschied.« Aber es ist doch einer.
    Er ist allerdings vorbereitet. Er reißt sich zusammen. Er stellt die Taschenlampe auf das untere Ende, reißt in ihrem schwachen Strahl ein Streichholz an, und es gelingt ihm, eine Kerze anzuzünden. Sie flackert in der zugigen Luft, aber sie brennt, wirft einen kleinen glühenden Kreis weichen Gelbs auf den Schreibtisch, verwandelt den Raum um ihn herum in eine uralte Höhle, dunkel, aber schützend.
    Er wühlt in seinem Plastiksack, findet die dritte Packung Cashewnüsse, reißt sie auf, isst den Inhalt. Er nimmt die Flasche Bourbon, überlegt, dann schraubt er den Deckel ab und trinkt. Gluck gluck gluck, besagt die Comicschrift in seinem Kopf. Feuerwasser.
    Oh Süßer, sagt eine Frauenstimme aus einer Ecke des Raumes. Du machst das richtig gut.
    »Nein, mach ich nicht«, sagt er.
    Ein Luftstoß –

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