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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Bücher. An der Wand über dem Bett hing ein großes Plakat, das einen Mann mit klaren, durchdringenden Augen und einem langen Bart zeigte, und die Bildunterschrift lautete: Gesucht: Tot oder lebendig. Osama bin Laden: Vergelter . Der Raum war von einem schweren, süßlichen Duft erfüllt.
    Der dicke Mann kam mit einem Glas für Joe und einem für sich selbst zurück. Joe nahm es dankbar entgegen und trank. Die Flüssigkeit durchströmte ihn, und er spürte, wie es tief in seinem Inneren zu fernen Explosionen kam, deren Wärme sich durch seinen ganzen Körper ausbreitete. Er betrachtete immer noch das Plakat, und der dicke Mann, der seinem Blick folgte, sagte: »Mehr Ärger, als sie wert ist, diese Vergelter -Geschichte. Sind Sie ein Fan?«
    Bei ihm hörte das Wort »Fan« sich fast unanständig an. Joe schüttelte langsam den Kopf. Endlich war er hier, hatte Longshotts Verleger ausfindig gemacht. In Bezug auf seine Adresse schien der Mann ein übertrieben hohes Maß an Vorsicht walten zu lassen. Und dennoch hatte er sich nicht lange gesträubt, ihn einzulassen … interessant. Er sagte: »Wer will, dass Sie aufhören?«
    »Außer den Kritikern, meinen Sie?« Er lachte und streckte die Hand aus. »Ich heiße übrigens Papadopoulos. Daniel Papadopoulos, Lieferant schöner Literatur für die Massen.«
    »Papa D. …«, sagte Joe.
    Der dicke Mann blickte auf. »Ja«, sagte er. »Die Mädchen nennen mich gerne so. Ich glaube, ich bringe das Mütterliche in ihnen zum Vorschein. Oder ist es das Ödipale?«
    »Womöglich von beidem etwas«, sagte Joe. Er musterte Daniel Papadopoulos. An den äußeren Augenwinkeln hatte der Mann kleine spinnwebartige Fältchen und – jetzt, wo er näher hinsah – etwas, das wie ein verblassendes Hämatom aussah, unter dem linken Auge, nur notdürftig mit hellem Make-up kaschiert. »Ich suche nach Mike Longshott«, sagte er, worauf Daniel Papadopoulos seufzte. »Sind Sie einer von ihnen?«, sagte er, während er seinerseits Joe musterte. »Flüchtling?«
    Das ergab keinen Sinn, doch Joe schüttelte bloß den Kopf und sagte: »Ich glaube nicht.«
    »Das heißt, Sie wissen es nicht.« Der Ausdruck in den Augen des dicken Mannes bereitete Joe Unbehagen. »Das ist in Ordnung. Leben und – nun ja – leben lassen, sage ich immer. Falls Sie wissen, was ich meine.«
    Das tat Joe nicht. Er sagte: »Wer hat Ihnen das angetan?« und deutete auf das Hämatom. Papadopoulos wich zurück. »Womöglich dieselben Leute, die Sie zusammengeschlagen haben?«, deutete er an.
    »Wie haben sie ausgesehen?«
    »Wie Gangster«, sagte Papadopoulos, und Joe dachte: »Ich bin nicht der Einzige, der zu viel Schund liest.« – »Gangster mit dem Gesetz auf ihrer Seite. Sie haben nach Schinken gerochen.« Er lächelte, wenn auch ohne große Belustigung im Blick. »Sie waren Schweine. Die schlimmsten Gangster von allen sind die mit Dienstmarke.«
    »Sie meinen, es waren Polizisten?«
    »Hundert Punkte, Junge.« Joe starrte dem dicken Mann in die Augen. Papadopoulos erwiderte seinen Blick nicht. Er reißt das Maul auf, aber er hat Angst, dachte Joe.
    »Haben die gesagt, für wen sie arbeiten?«
    »Nein.« Papadopoulos hielt inne und kaute auf seiner Unterlippe. Das war, wie Joe fand, kein angenehmer Anblick. Er zündete sich eine Zigarette an. Sein Mund schmeckte roh und ganz nach Rauch, wie das Innere eines eingestürzten Gebäudes. Das spülte er mit dem Scotch weg. »Vielleicht. Als sie gingen, hörte ich einen von ihnen – den Anführer, großer Kerl, graue Haare –«
    »Ja, ich glaube, mit dem bin ich aneinandergeraten«, sagte Joe.
    »Er sagte – ich glaube, da dachten sie, ich wär schon weggetreten –, er sagte was von Berichterstattung an das …«, dann verstummte der dicke Mann.
    »An das?«, fragte Joe.
    »Ich glaube, ich hab einen lockeren Zahn«, klagte Papadopoulos. Seine Hand lag massierend auf seiner Wange. »Lassen Sie mich nachdenken.«
    »Joe wartete. Daniel Papadopoulos war sehr mitteilsam – andererseits waren Männer, die zusammengeschlagen worden waren, manchmal sehr darauf bedacht, diese Erfahrung nicht zu wiederholen. Dennoch spürte er eine Widerstandskraft in dem Mann, eine Überzeugung hinter den blassen, wässrigen Augen, die vermutlich nicht so leicht kleinzukriegen war. Er zog an seiner Zigarette. Auf dem niedrigen Couchtisch stand als Aschenbecher ein Messingteller, auf dem sich mit weit gespreizten Beinen, einen Zigarrenstummel zwischen den Schenkeln, ein Messingmädchen rekelte.

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