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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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darum geht, angesichts einer potenziell heilbaren Lungenentzündung auf Antibiotika zu verzichten oder zu entscheiden, wann es nicht mehr angebracht ist, bei chronischen Erscheinungen wie Anämie oder Gewichtsverlust weitere dia-gnostische Untersuchungen durchzuführen. Aus ärztlicher Sicht sind diese Fragen von entscheidender Bedeutung: Soll man jede nur mögliche Behandlung anwenden, wenn der Patient Krebs oder eine andere Krankheit hat? Und wenn nicht, wieso sollte man dann bestimmte Untersuchungen durchführen?
    Ist Alzheimer im Spiel, so kann die Achterbahnfahrt aus akuten Krankheitszuständen und einer teilweisen Genesung den Angehörigen auch ein falsches Gefühl der Hoffnung vermitteln. So heißt es dann etwa: »Wenn erst die Lungenentzündung geheilt ist, wird sich meine Mutter bestimmt wieder erholen« oder: »Sobald mein Vater diese Krise überwunden hat, macht er sicher Fortschritte.« Anders gesagt, tritt die Vorstellung in den Vordergrund, man müsste den Patienten nur ins Krankenhaus schicken, um seine Lungenentzündung, seine Staphylokokkeninfektion oder seine gebrochene Hüfte zu heilen, damit er anschließend womöglich wieder ganz gesund wird. Dabei wird ignoriert, dass chronische Erkrankungen ständig fortschreiten, selbst wenn sich der Patient von einem akuten Problem wieder erholt. Dieses schwächt ihn zudem erheblich, so dass er anschließend schlechter in der Lage ist, mit der nächsten Herausforderung fertig zu werden.
    Eine Grenze zu ziehen, was die Behandlung von Demenzpatienten angeht, ist also ausgesprochen schwierig und mit einem ethischen Dilemma behaftet, sowohl aus Sicht der Angehörigen wie für die behandelnden Ärzte. Auch bei Ruth Rubenstein, die inzwischen bei uns im Heim lebte, war das der Fall.

    »Dr.Dosa, Sie müssen sofort nach meiner Frau schauen!«
    Frank Rubensteins Stimme klang so fordernd, dass Oscar von dem Aktenschrank im Stationszimmer sprang, um in Deckung zu gehen. Die fand er unter dem Tisch zwischen Marys Beinen. Wäre ich flinker gewesen, so hätte ich mich gern genauso verhalten.
    »Was kann ich für Sie tun, Mr.Rubenstein?«
    »Es geht um Ruth. Sie ist heute verwirrter als gestern. Außerdem isst sie nichts. Ich mache mir Sorgen um sie.«
    »Lassen Sie mich hier noch ein paar Sachen fertig machen«, sagte ich. »Dann komme ich gleich.«
    Meine Reaktion quittierte Frank mit einem zornigen Blick, und einen Moment dachte ich, er würde vor dem Tisch warten, bis ich fertig war. Dann murmelte er jedoch etwas vor sich hin, drehte sich um und marschierte davon. Ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass er sich einfach Sorgen um seine Frau machte, was sich bei ihm eben als typische Altmänner-Brummigkeit ausdrückte.
    »Wissen Sie, worum es geht?«, fragte ich Mary, als er verschwunden war.
    »Ruth geht es in letzter Zeit nicht besonders gut, David. Sie isst nichts und hat ein paar Pfund verloren. Wahrscheinlich macht Frank sich Sorgen, wir könnten ihren Gewichtsverlust nicht ernst genug nehmen.«
    »Um wie viel handelt es sich denn?«
    »Etwa zehn Pfund.«
    Ich runzelte die Stirn. Ironischerweise hätte es vielen meiner Patienten eher genützt, zehn Pfund zu verlieren, denn das hätte positive Auswirkungen auf deren Diabetes, Bluthochdruck oder Cholesterinspiegel gehabt. Bei Ruth Rubenstein traf das allerdings nicht zu. Als sie ins Pflegeheim gekommen war, hatte sie mit ihren hundertsechzig Zentimetern Körpergröße knapp fünfzig Kilogramm gewogen, weshalb zehn Pfund durchaus kritisch waren.
    »Meinen Sie, da ist irgendetwas anderes im Spiel?«
    Mary zuckte die Achseln. »Möglich ist natürlich alles, aber ich habe den Eindruck, ihre Demenz wird einfach immer schlimmer. Übrigens, Frank hat gebeten, sie an einen Gastroenterologen zu überweisen. Er hat Angst, sie könnte Dickdarmkrebs haben.«
    Bei einer gesunden Patientin wäre es zweifellos angebracht gewesen, einen Gastroenterologen hinzuzuziehen, um den Grund des Gewichtsverlusts durch eine Koloskopie abzuklären. Da Ruths geistige Fähigkeiten jedoch rasch nachließen, war es wahrscheinlich nicht in ihrem Interesse, sie allerhand Tests und Prozeduren zu unterziehen.
    »Hat schon irgendjemand mit Frank darüber gesprochen, die Behandlung seiner Frau entsprechend einzuschränken?«
    »Ich bestimmt nicht«, sagte Mary. »Schließlich bekomme ich hier keine Risikozulage!«
    Ich seufzte, als ich sah, wie Oscar sich unter dem Tisch in eine Ecke geschmiegt und zusammengerollt hatte.
    »Ist da unten vielleicht

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