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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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versucht hatten, ihr Anliegen vorzubringen, während sie hier an der Rezeption gesessen hatte?
    »Also, mir ist schon klar, dass wir ein schmales Budget haben und dass ihr hier Hilfe gebrauchen könntet«, sagte ich. »Aber …«
    »Ach, David, das war doch nur ein Scherz!«, sagte Mary. »Abgesehen davon sind die Angehörigen, die anrufen, ganz begeistert von ihr. Ich glaube, sie war früher Sekretärin bei einer großen Firma. Telefonate entgegenzunehmen, liegt ihr wohl einfach im Blut.« Sie warf einen Blick auf Louise, die uns aus dem Augenwinkel zu beobachten schien. »Übrigens steht sie unheimlich auf groß gewachsene Männer.«
    Daraufhin murmelte Louise etwas, das Mary ein Kichern entlockte.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte ich, während ich zum Schreibtisch trat.
    »Ich hab’s gewusst!«, sagte Mary. »Louise mag Sie.«
    »Aber was hat sie gesagt?«
    »Dass sie Sie schnuckelig findet.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie haben Sie das bloß verstanden?«
    »Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich schon so lange hier arbeite.«
    Diese regelrecht hellseherische Fähigkeit Marys war mir früher schon aufgefallen. Sie verstand die Äußerungen von Patienten, die allen anderen ein Rätsel waren. Das war eine ihrer vielen Begabungen.
    Mary stand vom Tisch auf und nahm aus dem Regal hinter sich eine Patientenakte.
    »Sehen Sie sich das mal an«, sagte sie. »Das sind die Laborwerte von Saul Strahan.«
    Die Antibiotika, die ich für sein Bein verschrieben hatte, zeigten offenbar keine Wirkung, und es gab weitere Komplikationen. Die Leukozytenzahl wies auf eine schwere Infektion hin, und außerdem war Sauls Körper erkennbar ausgetrocknet.
    »Ich werde ihn mir anschauen«, sagte ich.
    Mary nickte, ohne dass sich in dieser Geste viel Hoffnung ausdrückte.
    »Ich glaube, wir wissen beide, was nun geschieht«, sagte sie. »Wenn wir bloß seine Tochter mit ins Boot holen könnten!«
    Das Boot, von dem sie sprach, war groß, aber meiner Erfahrung nach brachte man niemanden hinein, solange er nicht wirklich dazu bereit war. Sauls Tochter jedoch war das noch lange nicht.
    »Jetzt schaue ich erst mal nach ihm«, sagte ich und machte mich auf den Weg zu Sauls Zimmer. Als ich an Louise vorbeikam, stand sie rasch auf und trat mir in den Weg. Dann breitete sie die Arme aus, als wollte sie umarmt werden.
    »Na bitte!«, sagte Mary. »Louise mag Sie wirklich.«
    Ich nahm Louise kurz in die Arme, worauf sie übers ganze Gesicht strahlte. Plötzlich begriff ich.
    »Sie hält mich für jemand anders!«, rief ich aus und wich ein Stück zurück. Ich war tatsächlich ein wenig gekränkt. Während ich weiterging, hörte ich Mary hinter mir lachen.
    »Also, David, ganz egal, wessen Stelle Sie da gerade eingenommen haben, das war gar nicht übel!«

    Ich fand Saul wieder in seinem Fernsehsessel vor. Der Apparat lief, doch sein Besitzer tat nicht einmal so, als würde er ihn beachten. Er trug wie üblich seine Mütze mit dem Logo der Boston Red Sox, zu deren treuen Fans er wie viele in der Stadt gehörte. Sein Zimmer war mit Baseballsouvenirs jeder Art geschmückt. Auf dem Nachttisch prangte ein Foto, auf dem er stolz vor dem Stadion der Sox stand, den Arm um einen kleinen Jungen gelegt, wahrscheinlich sein Enkel.
    »Bald fängt die Saison wieder an, Saul!«, sagte ich und zog einen Stuhl heran. Ob er wohl überhaupt wusste, dass sein Team endlich die Meisterschaft gewonnen hatte? Selbst Sox-Fans, die keinen Schlaganfall erlitten hatten, konnten kaum glauben, dass die sechsundachtzig Jahre währende titellose Zeit zu Ende gegangen war.
    Ich hörte Herz und Lunge ab, um anschließend Sauls Bein zu untersuchen. Mary hatte recht, es war trotz der antibiotischen Behandlung wieder entzündet. Diesmal breitete die Röte sich jedoch am Bein entlang bis fast zum Knie hin aus. Ich zog einen Stift aus der Tasche und markierte die Ränder, um später anhand dieser Linie bestimmen zu können, ob die Infektion auf die Behandlung reagiert hatte. Dann setzte ich mich wieder neben Saul und beschäftigte mich eingehender mit den Laborergebnissen. Ein neuerer Test ließ erkennen, dass der Körper von einem zunehmend häufig auftretenden, hochresistenten Bakterienstamm befallen war. Diese besonders üble Staphylokokkenart hatte sich in den letzten Jahren weltweit in Krankenhäusern und Heimen breitgemacht, ohne dass ihr richtig beizukommen war.
    Während ich über die begrenzten Behandlungsmöglichkeiten nachdachte, die mir blieben, spürte ich,

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