Osiris Ritual
entzückt sein.
Newbury blickte hin und her und suchte nach einer Spur von Ashford.
Der abtrünnige Agent hatte inzwischen das Ende der Gasse erreicht und kehrte
Newbury den Rücken zu. Offensichtlich hatte er es nicht besonders eilig, sich
zu entfernen. Newbury lächelte. Ashford hatte ihn wohl nicht die Treppe
herabsteigen hören und nahm fälschlicherweise an, er könne ihm nicht mehr
folgen, nachdem er vom Dach der Fabrik heruntergesprungen war. Das war der
Vorteil, den Newbury so verzweifelt gesucht hatte. Wenn der Mann vier
Stockwerke auf nacktes Pï¬aster hinabspringen und danach einfach aufstehen und
weglaufen konnte, musste Newbury jeden Vorteil nutzen, den er sich nur
verschaffen konnte. In einem offenen Kampf brauchte er gegen so ein Ungeheuer
gar nicht erst anzutreten.
Vorsichtig verfolgte er den riesigen ehemaligen Agenten. Er musste aufpassen,
dass er Ashford in dem Gewirr von SeitenstraÃen, die diesen Teil von Regentâs
Park durchzogen, nicht aus den Augen verlor. Inzwischen war es fast dunkel, und
ohne Mantel drang die feuchtkalte Luft bis auf die Knochen durch und strömte
ihm eisig in die Lungen. Dennoch schlich er weiter durch die Gasse, hielt sich
im Schatten und lieà Ashford nicht aus den Augen.
Sie erreichten das Ende der Gasse. Hier konnte man in beide
Richtungen abzweigen. Gegenüber, direkt voraus und jenseits der DurchgangsstraÃe,
schien die Gasse anscheinend endlos weiter geradeaus zu verlaufen, bis sie im
dichten Nebel verschwand. Die StraÃenlaternen gaben nur noch einen diffusen
Schein her â leuchtende Kugeln, die wie bizarre Sternbilder am Himmel hingen
und die Luft in etwas zu verwandeln schienen, das man fast mit Händen greifen
konnte. Newbury schauderte. Die kalte, klamme Luft legte sich ihm wie ein
schmieriger Film auf das Gesicht. Auf der HauptstraÃe herrschte viel Verkehr;
Newbury hörte Menschen schwatzen, Hufetrappeln und das Fauchen zahlreicher
Dampfmaschinen auf der linken Seite. Rechts pries ein StraÃenverkäufer die
Schlagzeilen der neuesten Ausgabe des Evening Standard an.
An der Ecke blieb Newbury einen Moment an einer Fleischerei stehen
und beobachtete Ashford, der sich stolpernd in der Dunkelheit entfernte.
Vielleicht hatte der Sturz seinen rekonstruierten Körper doch stärker
mitgenommen, als Newbury es zunächst vermutet hatte. Wenn er den Gegner von
hinten überrumpeln konnte, bestand vielleicht sogar die Möglichkeit, ihn
niederzuringen. Er musste handeln.
Newbury verlieà die Deckung und rannte los, um den Mann
anzuspringen. Zu spät bemerkte er eine zerbrochene Palette auf der StraÃe, die
offenbar ein Händler liegen gelassen hatte. Im wallenden Nebel war sie seiner
Aufmerksamkeit entgangen. Nun musste er hastig zur Seite springen, um nicht mit
ihr zusammenzuprallen, doch sein Fuà scharrte laut über die Platten des
Pï¬asters, als er sich wieder aufrichtete.
Ashford reagierte sofort. Er fuhr herum und bemerkte den Ermittler
der Krone, der ihn gleich von hinten anspringen würde. In Ashfords kalten roten
Augen war keinerlei Gefühlsregung zu erkennen. Das Gesicht des Mannes, das nach
wie vor unter der dunklen Kapuze verborgen blieb, hatte Newbury immer noch nicht
richtig gesehen. Er wusste jedoch, dass hinter den Augen nichts als Stahl und
Dunkelheit waren.
Im Rennen dachte er darüber nach, dass er vermutlich dem eigenen Tod
entgegenlief. Umso überraschter war er, als Ashford auf dem Absatz kehrtmachte
und ï¬oh. Bei jedem Schritt federte er mindestens einen Schritt hoch in die
Luft, während die Beine weit ausholten und ihn mit schier unglaublicher
Geschwindigkeit über die HauptstraÃe beförderten. Offenbar war Ashford nicht
auf einen Kampf aus.
Einen kleinen Moment lang blieb Newbury wie angewurzelt stehen und
riss staunend den Mund auf. Was auch immer Dr. Fabian mit Ashford angestellt
hatte, der ehemalige Agent war jetzt zweifellos eher eine Maschine als ein
Mensch. Niemand konnte so schnell laufen.
Newbury musste einsehen, dass er Ashford bald im Nebel verlieren
würde, wenn er nicht sofort etwas unternahm. Also rannte er hinter dem Mann her
über die StraÃe und wich den bestürzten Passanten aus. Ein junger Mann ging
hinter ihm zu Boden, doch er hatte keine Zeit, anzuhalten und ihm beim
Aufstehen zu helfen. Newburys Lungen brannten, die Muskeln taten ihm weh, und
mit zunehmender Frustration musste er obendrein beobachten, wie Ashford
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