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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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beträchtlichen Vorsprung gewonnen, gab jedoch nicht zu erkennen,
dass er Newbury ernsthaft abschütteln wollte. Er blieb in Sicht und eilte die
Hauptstraße entlang. Er hätte jederzeit in irgendeiner Gasse oder Seitenstraße
verschwinden können und wäre im unübersichtlichen Gewirr der Nebenstraßen, die
Newbury von den Dächern aus betrachtet hatte, nicht mehr auffindbar gewesen.
Der Flüchtige zog es jedoch vor, sich zielstrebig in eine bestimmte Richtung zu
bewegen, bis Newbury sich fragte, ob Ashford die Verfolgung lediglich als
lästige Störung auffasste. Wie auch immer, der Agent lenkte das Fahrzeug hinter
dem Mann her. All die Fragen konnten später noch beantwortet werden, wenn der
Abtrünnige hinter Schloss und Riegel saß.
    Das Fahrzeug schlingerte wild hin und her, während Newbury
versuchte, die Kontrolle über den Steuermechanismus zu erlangen. Es war ein
unbeholfenes, schwer zu beherrschendes Fahrzeug. Die beiden Messinghebel auf
dem Armaturenbrett waren anscheinend mit einer komplizierten Anordnung von
Umlenkrollen verbunden, die ihrerseits die Ausrichtung des Vorderrads
veränderten. Der Fahrer musste einen Hebel nach rechts drehen, wenn er nach
rechts abbiegen wollte, und der andere lenkte das Fahrzeug nach links. Wenn er
losließ, fiel das Rad in die Mittelstellung zurück, und der Apparat fuhr weiter
geradeaus. Elegant war es nicht, aber einigermaßen wirkungsvoll, und Newbury
fand bald heraus, wie er dafür sorgen konnte, dass sich sein Fahrzeug nicht
überschlug. Er fuhr hinter Ashford her und holte mit jeder Sekunde auf. Die
schwarzen Reifen des Dreirads drehten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit und
holperten über die unebene Straße, während das Fahrzeug immer wieder heftig
bockte. Newbury musste sich an der Steuerung festhalten und die Beine unter das
Armaturenbrett klemmen, damit er nicht aus dem Führerhaus geschleudert wurde.
    Ashford lief mit voller Geschwindigkeit und warf die Passanten
einfach um, als er sich durch die Menge drängte und sich bemühte, Newbury und
dessen geliehenem Transportmittel zu entkommen. Der Agent musste häufig den
unschuldigen Passanten ausweichen, die Ashford zu Boden geworfen hatte. Das
hielt ihn bei der Verfolgung auf, und bisweilen musste er sich mehr auf die
Straße als auf sein Ziel konzentrieren. Genau das war vermutlich auch Ashfords
Absicht.
    Er dachte über sein weiteres Vorgehen nach. Er konnte versuchen,
Ashford über den Haufen zu fahren, doch nachdem er beobachtet hatte, wie der
Mann von einem vierstöckigen Gebäude gesprungen war, sich wieder aufgerappelt
hatte und unverletzt davonmarschiert war, musste er ernsthaft daran zweifeln,
dass sein Dreirad stark genug war, um Ashford umzufahren, ganz zu schweigen
davon, ihn außer Gefecht zu setzen. Als er dem Flüchtigen näher kam, ließ
Newbury die beiden Steuerhebel los, schob den Beschleunigungshebel ganz nach
vorn und richtete sich in der Führerkanzel auf. Dann ergriff er wieder die
Steuerhebel und manövrierte das Fahrzeug direkt neben den rennenden Ashford.
    Ãœberrascht drehte sich der Mann um und starrte Newbury im Laufen an.
Zum ersten Mal konnte Newbury das Gesicht des abtrünnigen Agenten richtig
betrachten. Es war ein entsetzlicher Anblick. Ashfords Haut war grau und
verwest, rings um die dunklen Augenhöhlen schälte sie sich bereits ab, und in
den Höhlen saßen bizarre mechanische Geräte, die seine alten Augen ersetzt
hatten. Es waren keine primitiven Hilfsmittel wie jenes, das Aldous Renwick
benutzte, sondern kleine, viel präzisere Instrumente. Sie machten ihrem
Schöpfer Dr. Fabian alle Ehre.
    Auf der rechten Seite trat Ashfords Unterkieferknochen hervor, weil
dort ein großer Fleischfetzen abgerissen war – entweder aufgrund eines unerfreulichen
Zusammentreffens oder einfach nur, weil das Fleisch verfault und abgefallen
war. Der Rest der Haut war vernarbt und wund, aus offenen Stellen um die Nase
sickerte eine rosafarbene Flüssigkeit. Newbury sah es voller Bestürzung. Dieser
Anblick erinnerte ihn an die Wiedergänger, die sich in den finstersten Ecken
der Stadt herumtrieben. Ashfords entstelltes, verwesendes Gesicht war ein
Spiegelbild dieser schrecklichen, halb lebendigen und halb toten Ungeheuer.
Dennoch verriet die entschlossen angespannte Miene eine Zielstrebigkeit, die
den Wiedergängern fehlte. Hinter den kalten, glühenden Augen lebte nach

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